Objekt 50a Eisbär: Unterschied zwischen den Versionen

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Wie auch bei den Objekten [[Objekt 50b Topfpflanze|50b Topfpflanze]] und [[Objekt 50c Hoodie|50c Hoodie]] geht es darum, das Objekt durch unterschiedliche Perspektivierungen in seinen gesellschaftlichen und kulturellen Verstrickungen zu beleuchten. Während der Blick auf den Plüsch-Eisbären ohne das Lesen der Begleittexte den intuitiven Zugang mit individuellen Assoziationen und Vorerfahrungen erlaubt, sollen die Texttafeln das Objekt aus jeweils einer anderen Perspektive beleuchten: „Kuscheltier in Gefahr“ ([[Über Klimawandel sprechen]]), „Eisbär als Dramaqueen“ ([[Vom Klimawandel erzählen]]) und „Schmeckt nicht, gibt's nicht?“ ([[Über Klimawandel nachdenken]]). Dass wir heute Bilder von Eisbären auf schmelzenden Eisschollen nicht mehr mit bestimmten Tieren, bestimmten Orten oder einer bestimmten Zeit verbinden, oder das ausgestellte Kuscheltier nicht mehr wie einen Teddybären bloß als Kuscheltier betrachten, sondern es fast unmöglich scheint, Bilder und Kuscheltier nicht augenblicklich auch im Kontext der Klimakrise zu lesen,<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Born, Dorothea |Titel=Bearing Witness? Polar Bears as Icons for Climate Change Communication in National Geographic |Zeitschrift=Environmental Communication |Band=13 |Nummer=5 |Jahr=2019 |Seite=649-663 | Online=https://doi.org/10.1080/17524032.2018.1435557 |Abruf=23.08.2021 }}</ref> hängt stark damit zusammen, wie über Eisbären gesprochen, von ihnen erzählt und über sie nachgedacht wird. Diese Zugänge in ihrer Verwobenheit zu reflektieren, also etwa unser häufig durch [[Dokumentarfilme über den Klimawandel|Dokumentarfilme]] vermitteltes Wissen über Eisbären und unser Rollenverständnis von Eisbären in unseren Erzählungen – von der Coca-Cola Werbefigur über Hans de Beers Kinderbuchfigur Lars, der Boulevard-Sensation Knut bis zum hoffnungsstiftenden Auftritt eines Eisbären in Bong Joon Hos Film ''Snowpiercer'' –, erlaubt es uns, unser zugrundeliegendes Naturverständnis zu hinterfragen, unsere Vorstellungen und Erzählmuster kritisch zu betrachten oder unseren ethisch-moralischen Umgang mit diesen bedrohlichen und gleichsam bedrohten Tieren in den Blick zu nehmen.<ref>Vgl. hierzu u. a. {{Quellen-Literatur|Autor*in=Nussbaum, Martha  |Titel=Die Grenzen der Gerechtigkeit: Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit |Ort=Berlin |Verlag=Suhrkamp |Jahr=2004 }} und {{Quellen-Literatur|Autor*in=Horta, Oscar  |Titel=Zoopolis, Interventions and the State of Nature |Zeitschrift=Law, Ethics and Philosophy |Band=1 |Nummer=1 |Jahr=2013 |Seite=113-125 }}</ref> Hierdurch werden Eisbären als in ökologisch, gesellschaftlich, politisch, ökonomisch, technisch und kulturell verankerten Zusammenhängen verstanden, welche weit über die natürliche Erfassung als ''Ursus maritimus'' hinausreichen.
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Wie auch bei den Objekten [[Objekt 50b Topfpflanze|50b Topfpflanze]] und [[Objekt 50c Hoodie|50c Hoodie]] geht es darum, das Objekt durch unterschiedliche Perspektivierungen in seinen gesellschaftlichen und kulturellen Verstrickungen zu beleuchten. Während der erste Blick auf den Plüsch-Eisbären ohne das Lesen der Begleittexte den intuitiven Zugang mit individuellen Assoziationen und Vorerfahrungen erlaubt, sollen die Texttafeln das Objekt aus jeweils einer anderen Perspektive beleuchten: „Kuscheltier in Gefahr“ ([[Über Klimawandel sprechen]]), „Eisbär als Dramaqueen“ ([[Vom Klimawandel erzählen]]) und „Schmeckt nicht, gibt's nicht?“ ([[Über Klimawandel nachdenken]]). Dass wir heute Bilder von Eisbären auf schmelzenden Eisschollen nicht mehr mit bestimmten Tieren, bestimmten Orten oder einer bestimmten Zeit verbinden, oder das ausgestellte Kuscheltier nicht mehr wie einen Teddybären bloß als Kuscheltier betrachten, sondern es fast unmöglich scheint, Bilder und Kuscheltier nicht augenblicklich auch im Kontext der Klimakrise zu lesen,<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Born, Dorothea |Titel=Bearing Witness? Polar Bears as Icons for Climate Change Communication in National Geographic |Zeitschrift=Environmental Communication |Band=13 |Nummer=5 |Jahr=2019 |Seite=649-663 | Online=https://doi.org/10.1080/17524032.2018.1435557 |Abruf=23.08.2021 }}</ref> hängt stark damit zusammen, wie über Eisbären gesprochen, von ihnen erzählt und über sie nachgedacht wird. Diese Zugänge in ihrer Verwobenheit zu reflektieren, also etwa unser häufig durch [[Dokumentarfilme über den Klimawandel|Dokumentarfilme]] vermitteltes Wissen über Eisbären und unser Rollenverständnis von Eisbären in unseren Erzählungen – von der Coca-Cola Werbefigur über Hans de Beers Kinderbuchfigur Lars, der Boulevard-Sensation Knut bis zum hoffnungsstiftenden Auftritt eines Eisbären in Bong Joon Hos Film ''Snowpiercer'' –, erlaubt es uns, unser zugrundeliegendes Naturverständnis zu hinterfragen, unsere Vorstellungen und Erzählmuster kritisch zu betrachten oder unseren ethisch-moralischen Umgang mit diesen bedrohlichen und gleichsam bedrohten Tieren in den Blick zu nehmen.<ref>Vgl. hierzu u. a. {{Quellen-Literatur|Autor*in=Nussbaum, Martha  |Titel=Die Grenzen der Gerechtigkeit: Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit |Ort=Berlin |Verlag=Suhrkamp |Jahr=2004 }} und {{Quellen-Literatur|Autor*in=Horta, Oscar  |Titel=Zoopolis, Interventions and the State of Nature |Zeitschrift=Law, Ethics and Philosophy |Band=1 |Nummer=1 |Jahr=2013 |Seite=113-125 }}</ref> Hierdurch werden Eisbären als in ökologisch, gesellschaftlich, politisch, ökonomisch, technisch und kulturell verankerten Zusammenhängen verstanden, welche weit über die natürliche Erfassung als ''Ursus maritimus'' hinausreichen.
  
 
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Version vom 6. Oktober 2021, 08:43 Uhr

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Unter der internen Katalogsbezeichnung Objekt 50a Eisbär wird der ausgestellte Plüsch-Eisbär im Rahmen der Ausstellung „Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte“ im Stadtmuseum Kassel (2021/22) geführt. Es ist Teil der Objekt 50 Installation. Die Präsentation wurde von Felix Böhm, Martin Böhnert, Anna Meywirth und Paul Reszke in Zusammenarbeit mit dem Team um die Ausstellungskuratorin Martina Sitt entwickelt.

Ausstellungsobjekt

„Objekt 50a Eisbär” umfasst einen Plüsch-Eisbären aus der WWF-Plüschkollektion, der in einer Sockelvitrine ausgestellt wird. An der vorderen Vitrinenseite befinden sich drei Texttafeln, welche das Objekt jeweils unter einer anderen Überschrift – „Kuscheltier in Gefahr“, „Eisbär als Dramaqueen“ und „Schmeckt nicht, gibt's nicht?“ – perspektivieren.

Hintergrund

Wie auch bei den Objekten 50b Topfpflanze und 50c Hoodie geht es darum, das Objekt durch unterschiedliche Perspektivierungen in seinen gesellschaftlichen und kulturellen Verstrickungen zu beleuchten. Während der erste Blick auf den Plüsch-Eisbären ohne das Lesen der Begleittexte den intuitiven Zugang mit individuellen Assoziationen und Vorerfahrungen erlaubt, sollen die Texttafeln das Objekt aus jeweils einer anderen Perspektive beleuchten: „Kuscheltier in Gefahr“ (Über Klimawandel sprechen), „Eisbär als Dramaqueen“ (Vom Klimawandel erzählen) und „Schmeckt nicht, gibt's nicht?“ (Über Klimawandel nachdenken). Dass wir heute Bilder von Eisbären auf schmelzenden Eisschollen nicht mehr mit bestimmten Tieren, bestimmten Orten oder einer bestimmten Zeit verbinden, oder das ausgestellte Kuscheltier nicht mehr wie einen Teddybären bloß als Kuscheltier betrachten, sondern es fast unmöglich scheint, Bilder und Kuscheltier nicht augenblicklich auch im Kontext der Klimakrise zu lesen,[1] hängt stark damit zusammen, wie über Eisbären gesprochen, von ihnen erzählt und über sie nachgedacht wird. Diese Zugänge in ihrer Verwobenheit zu reflektieren, also etwa unser häufig durch Dokumentarfilme vermitteltes Wissen über Eisbären und unser Rollenverständnis von Eisbären in unseren Erzählungen – von der Coca-Cola Werbefigur über Hans de Beers Kinderbuchfigur Lars, der Boulevard-Sensation Knut bis zum hoffnungsstiftenden Auftritt eines Eisbären in Bong Joon Hos Film Snowpiercer –, erlaubt es uns, unser zugrundeliegendes Naturverständnis zu hinterfragen, unsere Vorstellungen und Erzählmuster kritisch zu betrachten oder unseren ethisch-moralischen Umgang mit diesen bedrohlichen und gleichsam bedrohten Tieren in den Blick zu nehmen.[2] Hierdurch werden Eisbären als in ökologisch, gesellschaftlich, politisch, ökonomisch, technisch und kulturell verankerten Zusammenhängen verstanden, welche weit über die natürliche Erfassung als Ursus maritimus hinausreichen.

Exponatsbeschriftung

Kuscheltier in Gefahr (Über Klimawandel Sprechen)

Das Wort ‚Eisbär‘ bezeichnet einen „arktische[n] Bär[en] mit kräftigem Körperbau und weißem bis gelblich weißem Fell“. Die Duden-Definition stellt also sein Äußeres ins Zentrum. Das Sprechen über dieses Tier folgt so sehr unserer visuellen Wahrnehmung, dass bereits Kinder es von seinen Artverwandten unterscheiden können. Dokumentarfilme und Zeitungsreportagen ergänzen diese Perspektive um zahlreiche Attribute. Sprache und Bilder stilisieren den Eisbären zu einem blutrünstigen Raubtier, einem liebevollen Familienmenschen, einem Objekt der Forschung oder auch als einen majestätisch machtvollen Herrscher der Arktis. Als Bedrohung und Bedrohtes zugleich, die Gefahr mit Kuscheltierqualitäten, erscheint er als Ikone der Klima-Berichterstattung regelrecht prädestiniert. Denn was wäre spannender, als mit einem Eisbären mitzufiebern, ob er die nächste Scholle noch erreichen wird – oder nicht?
Text: Felix Böhm

Eisbär als Dramaqueen (Vom Klimawandel erzählen)

Mit dem Eisbären erhalten die Daten und Fakten der Klimakatastrophe ein Gesicht und eine dramatische Geschichte zugleich, die Jung wie Alt eindringlich erzählt werden muss: Wenn wir nichts gegen die Erderwärmung tun, verliert der niedliche Eisbär seinen Lebensraum. Er stirbt aus. „Ohne Eis kein Eisbär“. Dieser Titel von Kristina Heldmanns „Klimawissen“-Kindersachbuch (2020) wählt den König der Arktis als Aushängeschild, als Narrativ der Klimathematik, ebenso wie das in Kassel 2020 uraufgeführte Kindertheaterstück „Bär im Universum“ von Dea Loher, in welchem dem tragischen Artensterben eine augenzwinkernde Lösung entgegengesetzt wird. Ob der letzte Eisbär Benny durch die Liaison mit Braunbärin Isabella sein Aussterben verhindern kann? Nur auf den ersten Blick erscheint das symbolträchtige Tier besonders ‚kindgerecht‘, auf den zweiten Blick wirkt das Narrativ bei Erwachsenen genauso.
Text: Anna Meywirth

Schmeckt nicht, gibt's nicht? (Über Klimawandel nachdenken)

Der Eisbär isst als einziger Vertreter der Familie der Bären mehr Fleisch als Pflanzen, besonders Robbenbabys. Dass es das Eisbärbaby Knut auf das Titelbild der Vanity Fair brachte,[3] liegt daher wahrscheinlich nicht an seiner Ernährung. Vielmehr symbolisieren Eisbären wie keine anderen Tiere die negativen Folgen des Klimawandels. Was wollen und sollen Menschen zu ihrem Schutz unternehmen? Diskutierte Maßnahmen erfordern starke Eingriffe in die Natur: Fütterungsstationen, Aufzuchtstationen für Eisbärenbabys oder das Erschießen hungerkranker Exemplare werden absehbar zu Verhaltensänderungen bei den Bären führen. Ist es im Sinne der artgerechten Lebensweise wünschenswert, Eisbären mit auch gefährdeten, von Menschen getöteten Robben zu füttern oder notgedrungen – wie in Zoos – vor allem mit Fisch? Sollte man gar die Zoohaltung ausbauen, solange Eisbären dort zumindest lebenswerte Leben leben?[4]
Text: Jens Schnitker-von Wedelstaedt

Weiterführendes

Ausstellung „Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte“

Im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 50. Jubiläum der Universität Kassel, findet vom 14. Oktober 2021 bis zum 9. Januar 2022 die Sonderausstellung Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte im Stadtmuseum Kassel statt. Im Rahmen dieser Ausstellung wird anhand von 50 Ausstellungsobjekten „ein halbes Jahrhundert Geschichte“[5] der Universität Kassel erzählt.

Belege

  1. Born, Dorothea (2019): Bearing Witness? Polar Bears as Icons for Climate Change Communication in National Geographic. In: Environmental Communication 13(5), S. 649-663. Online, zuletzt abgerufen am 23.08.2021.
  2. Vgl. hierzu u. a. Nussbaum, Martha (2004): Die Grenzen der Gerechtigkeit: Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit. Berlin: Suhrkamp. und Horta, Oscar (2013): Zoopolis, Interventions and the State of Nature. In: Law, Ethics and Philosophy 1(1), S. 113-125.
  3. Mark, Oliver (2007): Cover Foto. In: Vanity Fair 1(14), S. Cover.
  4. Gerade auf Homepages von Zoos wird gern die Behauptung zitiert, dass Eisbären dort mitunter doppelt so lang wie in der Wildnis lebten. Als Quelle wird in der Regel angeführt: Wrigley, Robert E. (2008): The Oldest Living Polar Bear. In: Polar Bears International 15(2), S. 4-5.
  5. Sitt, Martina (2020): Sonderausstellung "Wunderkammer modern. 50 Jahre – 50 Objekte". Universität Kassel im Stadtmuseum. In: Universität Kassel. Online, zuletzt abgerufen am 09.08.2021.



Autor*innen

Im Sommersemester 2024 haben Tuba Nur Ceviz, Zara Ceviz, Jasmin Engler, Melissa Görzen, Sarah Hagelstein, Hannah Kuhlmann, Tim Schade, Johannes Siebert, Felix Thielemann, Sarah Weinfurter und Christina Wiemers an dem Seminar "Die Sprache der Klimawandel: Klima und Campus" (Leitung: Felix Böhm) teilgenommen und damit das Projekt KLICK – Klimacampus Kassel samt seiner Teilprojekte gestaltet und durchgeführt. Auch an der Entstehung dieses Textes waren sie maßgeblich mitbeteiligt. Die Erstfassung dieses Artikels geht auf eine Vielzahl von Textbausteinen der Teilnehmenden zurück, die Felix Böhm zusammentrug und ergänzte. Die Versionsgeschichte gibt daher nicht die gesamte Entstehung des Artikels wieder und listet auch nicht alle beteiligten Autor*innen als User*innen.



Zitiervorlage: Böh, Felix et al. Objekt 50a Eisbär (2020). In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Objekt 50a Eisbär, zuletzt abgerufen am 25.11.2024.