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Der nachfolgende Artikel beschreibt die Rolle von Personen und Agenzien innerhalb der umweltbezogenen Literatur. Dabei befasst er sich mit eben jenen Personen, sowie nicht-menschlichen Agenzien, und wird, anhand diverser Beispiele von Personen und Agenzien innerhalb der Literatur, unter dem Hintergrund des Klimawandels, betrachtet, und mit verschiedenen Fragen verbunden, die mit dieser Thematik einhergehen.
Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf den beiden Romanen Milchzähne von Helene Bukowski und Eistau von Ilja Trojanow. Für eine differenziertere Begriffsbestimmung werden noch weitere literaturverwandte Werke, auch aus abweichenden Zweigen der umweltbezogenen Künste, betrachtet.


Einleitung mit Begriffserläuterung

Literatur kann in den meisten Fällen auch als ein Spiegel unserer Gesellschaft angesehen werden. So werden in dieser aktuelle Themen, die in der Gesellschaft breit diskutiert werden, durch die Autor:innen verarbeitet bzw. aufgegriffen. So ist es wenig verwunderlich, dass auch die Klimakrise und der mit ihr verbundene Klimawandel, ins Scheinwerferlicht der publizistischen Tätigkeit fallen. So gibt es mittlerweile nicht nur einen breiten Kanon an wissenschaftlicher Fachliteratur zum Klimawandel, sondern auch vielfältige Darstellungen in der Populär- und Unterhaltungsliteratur.[1]

Welche Bedeutung hat die Klimakrise in der aktuellen Literatur?

Literatur kann den globalen Klimawandel anschaulicher darstellen als Statistiken und Datenreihen. Die Bedrohung, und die Herausforderung diese zu überstehen, kann mit erzählten Geschichten lebendiger gestaltet werden. So können Autor*innen die Leser*innen auf wichtige Themen und Diskurse aufmerksam machen ohne dabei belehrend und mahnend zu wirken. Wichtig dabei, ist die Figurendarstellung und die Darstellung der Natur innerhalb der erzählten Geschichte. Hierbei wird zwischen der Person und dem Agens unterschieden. Um Leser*innen auf klimatische Veränderungen aufmerksam zu machen, gibt es in der Literatur mehrere mögliche Vorgehensweisen. Zu diesen gehören die Darstellung des Protagonisten - der Person, und dieser gegenüberstehend, die Darstellung der nicht-menschlichen Umwelt, welche auch als Agens bezeichnet wird. [2]


Begriffserläuterung

Die Person

Das Wort Person kommt ursprünglich aus dem Lateinischen von dem Wort persona (:= Maske, Rolle). Eine (fiktive) Person in der Literatur ist eine Figur, die in einem literarischen Werk auftritt und dabei eine elementare Rolle innerhalb des Werkes einnimmt. [3]
Damit es den Lerser*innen möglich ist, sich in eine Person hineinzuversetzten, muss die Leserschaft die Gedanken und Handlungen der fiktiven Person innerhalb der Handlung verstehen und nachvollziehen können. Dabei solllten mehrere Fragen beantwortet werden. Es ist entscheidend, dass die Leser:innen durch Empathie und Verständnis, die Beweggründe des Handels, in Auseinandersetzung mit dem Klimawandel, nachvollziehen können. Was die Figur erlebt, hat direkten Einfluss auf die Emotionen der lesenden Person (Emotionalisierung).

Es kommt in umwetbezogener Literatur darauf an, wie das Verhältnis zu einer oder mehreren Figuren zu Umweltveränderungen dargestellt wird, wie diese damit umgehen, was sie davon verstehen, wodurch sie gegebenenfalls zu einem Umdenken veranlasst werden, ob sie erfolgreich damit sind oder scheitern. (Dürbeck und Nesselhauf 2015, S. 3) [4]


Das Agens

Ein Agens ist eine nicht-menschliche Instanz eines literarischen Werkes, welche maßgeblichen und elementaren Einfluss auf das Geschehen in der Diegese (:= die erzählte Welt) hat. Agens kommt aus dem lateinischen (agere) und bedeutet handeln. Nicht-meschliche Agenzien haben in der umweltbezogenen Literatur einen hohen Stellenwert, da die Natur mehr ist als nur der sprachlich dargestellte Raum. Die Figuren agieren meist mit oder wegen der Natur, was diese zu einer handlungstragenden Rolle innerhalb des Werkes macht. [5]


Literaturdefinition: Umweltbezogene Literatur

Die Merkmale umweltbezogener Literatur erkennt man anhand des Ausgangspunktes und des Hintergrundes der Handlung. Die Natur und ihre Veränderungen sind ein zentraler Gegenstand der Ausgangshandlung der Figuren.
Im folgenden Artikel werden Beispiele für Personen und Agenzien innerhalb der umweltbezogenen Literatur genannt und erläutert.


Der Roman Milchzähne: Personen und Agenzien

Beispiele Person

In dem Roman Milchzähne von Helen Bukowski liegt der Fokus auf drei Figuren, um die sich die Handlung dreht: Skalde, Edith und Meisis. Sie sind durch Klimaveränderung am Rande einer Gegend gefangen, die durch einen Wald und einem Fluss begrenzt ist. Es scheint keinen Ausweg zu geben, die Brücke über den vermeintlich unüberwindbaren Fluss wurde aus Angst vor Fremden gesprengt und hinter dem Wald herrscht eine bedrohliche Hitze, die sich stetig ausbreitet.
Skalde ist die Protagonistin, die dem Lesenden im Prolog mitteilt, dass es sich um einen Bericht der vergangenen Zeit handelt. Edith ist Skaldes Mutter, die im Laufe der Geschichte ermordet wird. Meisis ist ein Kind, welches Skalde innerhalb der erzählten Handlung im Wald findet. Sie und Edith nehmen das Kind bei sich auf. Der Roman endet mit der Überquerung des Flusses von Skalde und Meises.

Im Prolog erfährt der Lesende, dass Meisis und Skalde die Flussüberquerung erfolgreich geschafft haben, nun aber aufgrund des Wetters erneut weiter ziehen müssen.

Sowohl Sklade, als auch Edith und Meisis haben eine entscheidende Rolle innerhalb der erzählten Geschichte. Sie sind Beispiele für Personen in der Literatur, da sie im Laufe der Handlung lernen mit den Umweltveränderungen umzugehen und dadurch ein Umdenken bei den Leser*innen zu instigieren.[6]


Beispiele Agens

Bukowski beschreibt in ihrem Roman die klimatischen Veränderungen innerhalb des Werkes. Die Handlung spielt anfangs in Zeiten mit viel Nebel, im Laufe der erzählten Handlung wird die Sonneneinstrahlung intensiver, sodass ganze Landstriche vertrocknen. Gegen Ende sterben die Kaninchen an Hitze und Möwen fallen verkohlt vom Himmel. Bukowski kreiert eine Dystopie für die Protagonisten, in welcher der Mensch die klimatischen Veränderungen nicht mehr aufhalten kann und der Natur ausgeliefert ist.[7] Diese naturbezogenen Veränderungen nehmen die Rolle des Agens ein, da sie die Handlung der Protagonisten aktiv beeinflussen.


Verbindung von Person und Agens

Der Roman ist ein Bericht, der von Skalde verfasst wird, kurz bevor sie eine erneute Flucht aus ihrer Niederlassung auf der anderen Seite des Flusses antritt.

Wenn ich fertig bin mit diesem Bericht, werde ich ihn in der Schublade des Tisches zurücklassen, in der Hoffnung, dass wir auf der anderen Seite des Meeres ein neues Leben anfangen. (Bukowski 2019, S. 8)

Skaldes Mutter Edith spielt teilweise mit dem Gedanken, die Gegend zu verlassen. Sie bringt Skalde und Meisis dafür das Schwimmen bei.

(...) »aber ich [Edith] gehe von hier fort, und das Kind nehme ich mit«. (Bukowski 2019, S. 172)
»Ihr müsst euch bewegen wie ein Frosch, hast du das etwa vergessen?«. Sie machte es uns vor. (Bukowski 2019, S.144)

Edith ist durch das Flusswasser in die Gegend gekommen und hat den scheinbar unüberwindbaren Fluss durchschwommen.

Deine Mutter ist aus dem Wasser gekommen, schläfst auch du in einer Pfütze?, fragten mich die anderen Kinder und lachten dabei. (Bukowski 2019, S. 81)

Wenn ich die Schranktüren öffnete, bewegten sie [die Kleiderbügel] sich klimpernd im Luftzug. Die Innenwände hatte Edith mit Bildern im Meer tapeziert: Sandstrand, Helle Dünen, Angespülte Algen, Bemooste Wellenbrecher, Ein Pier im Neben, Eine ausgebombte Strandpromenade (Bukowski 2019, S. 24)

Diese Zitate zeigen, dass Edith eine tiefe Verbundenheit zum Meer hat, welches in dem Gebiet auf der anderen Flussseite liegt. Dort scheint es keine Möglichkeit mehr zu geben, ein lebenswertes Leben zu führen und trotzdem verschwinden Leute aus der Gegend, die möglicherweise einen Versuch unternommen haben den Fluss dorthin zu überqueren.
Edith meidet den Wald, sie verbietet Sklade das Grundstück zu verlassen und in den angrenzenden Wald zu gehen.

Edith fand die zwei Tannenzapfen, die ich aus dem Wald mitgebracht hatte. Für drei Tage sperrte sie mich in den Keller ein. (Bokwoski 2019, S. 18)

Sklade sieht in dem Wald einen Rückzugsort, der sie vor Edith schützt.

Ich verstand, dass ich auch hier hergehörte (...). (Bukowski 2019, S. 17)

(...) kletterte ich durch ein offen stehendes Fenster und schlug mich erneut in den Wald. Aus dem Haus zu verschwinden, fühlte sich an, als würde ein schwerer Stein von meinem Brustkorb genommen werden. (Bukowski 2019, S.18)

Langsam ging ich auf die Mitte [der Lichtung] zu, wo ich aus Ästen eine Hütte gebaut hatte. Es war mein erstes Versteck im Wald gewesen. Weit genug von Edith entfernt, dass ich mir einreden konnte, es gäbe sie nicht. (Bukowski 2019, S. 30)

Skalde fürchtet sich im Gegensatz zu ihrer Mutter vor dem Fluss, das Wasser bereitet ihr Angst.

Die junge Meisis hingegen ist unerschrocken und neugierig, und hat daher keine Angst - weder vor dem Fluss, noch vor dem Wald, aus dem sie zu Skalde und Edith gekommen war.

Wir haben das Wasser gesehen. Das Kind war ohne Furcht. Es scheint vor nichts Angst zu haben. (Bukowski 2019, S. 134)

Während Edith den Wald fürchtet, fürchtet Skalde das Wasser. Somit haben beide Personen eine unterschiedliche Beziehungen zu den verschiedenen Aspekten ihrer Umwelt. Das nicht-menschliche Agens beeinflusst die Charaktere unterschiedlich in der Wahrnehmung ihrer Umwelt, da diese verschiedene Erfahrungen mit der Natur gemacht haben. Diese Erfahrungen beeinflussen die Beziehung der Personen zur Natur. Meisis, die mit Sklade und Edith aufwächst, hat zu beiden Aspekten der Natur eine positive Verbindung, da sie keine negativen Erfahrungen mit der Natur geprägt haben.


Der Roman Eistau: Personen und Agenzien

Lager am Fuße eines Gletschers


Beispiele Person

Die Hauptfigur im Roman Eistau von Ilija Trojanow ist Zeno, ein Glaziologe, der aus Liebe zu Gletschern seinen Beruf als Gletscherforscher aufgibt und Reiseleiter auf einem Kreuzfahrtschiff in der Antarktis wird. Doch seine Vorträge auf dem Kreuzfahrtschiff erzielen bei den Touristen nicht die erhoffte Wirkung, denn diese wollen sich ihre Reiselaune nicht durch den Klimawandel und das Gletschersterben verderben lassen. Zeno kann diese Ignoranz nicht verstehen und als einer seiner Gletscher anfängt zu schmelzen, greift der Klimaretter zu drastischen Mitteln und begeht Suizid.

Ich werde hinausgehen, wenn es dunkelt, ich werde fliegen, umgeben von Weißblutfischen und Seescheiden, die unter mir schweben, von Rochen, die über mich hinweggleiten, ich werde fliegen, bis mein Blut zu Eis geronnen ist. (Trojanow 2011, S. 167)
Zeno ist die Hauptfigur im Werk Eistau, daher hat er entscheidenen Einfluss auf die erzählte Handlung und ist unumgänglich ein Beispiel für eine Person.

Ein weiteres Beipsiel als Person, ist Dan Quentin. Er ist ein Künstler, der ein menschliches SOS-Zeichen mit den Touristen als Weckruf gegen das Gletscherschmelzen in der Antarktis formen will. Als Zeno bemerkt, dass Quentin lediglich die Verwirklichung seines Kunstwerks verfolgt und der Klimawandel nur Mittel zum Zweck ist, löst diese Erkenntnis in Zeno den Gedanken zu dem radikalen Handeln aus. Die Begeisterung für dieses Kunstwerk der Passagiere und Besatzung, kann Zeno nicht verstehen.

(…) ein SOS ohne konkreten SOS-Grund, das ist lächerlich (…). (Trojanow 2011, S. 134)

Dieser Pseudo-Protest lässt Zeno völlig außer sich geraten und radikalisiert ihn. Seine geliebten Gletscher werden von einem Künstler missbraucht, der die Touristen für seine Kunst benutzt. Diese Personen lassen Zeno seine Idee des Suizids wahr werden lassen. Somit beeinflussen sie das Geschehen im Werk maßgeblich, was Quentin, die Besatzung und die Touristen zu handlungsrelevanten Personen mit einer elementaren Rolle macht.[8]


Beispiele Agens

Im Buch Eistau von Ilija Trojanow wird ein Gletscher als Agenzie verwendet. Der Glaziologe Zeno kehrt eines Tages zu einem Gletscher zurück, der aufgrund der veränderten Klimasituation geschmolzen ist.

(…) ich blickte nach vorn (…) und vor mir war … nichts. Kein Gletscher. Kein lebender Gletscher. Bruchstücke nur, einzelne Glieder, als wäre sein Leib von einer Bombe zerfetzt worden. (Trojanow 2011, S. 86)

Wir hatten gewarnt, vergeblich, es war von Jahr zu Jahr schlimmer gekommen. Unsere Epoche löst kassandrische Prophezeiungen strebsam ein, selbst die Zuversichtlichen melden sich mit Unkenrufeufen zu Wort. Solch eine Zerstörung hatte ich trotz alledem nicht vorhergesehen, nicht, als das Gletschertor verschwand (…), nicht, als die zunge bei einem Eissturz abriß und in der Folge rasch schmolz (…) und nun dieser Anschlag aus dem toten Winkel unseres Zweckoptimismus. (Trojanow 2011, S. 88)

Durch diesen Vorfall beschließt er schlussendlich sich das Leben zu nehmen, da sein einsamer Kampf scheinbar keine Auswirkungen auf die Zerstörung der Natur hat. Damit ist der schmelzende Gletscher, als nicht-menschliche Instanz, der in Zeno suizidale Gedanken auslöst, ein Beispiel für ein Agnes im Buch Eistau, denn er bestimmt die Handlung maßgeblich mit. Der Eisberg ist in dem Roman eine Darstellungsform für den sehr schnell voranschreitenden Klimawandel, der die Handlung innerhalb der erzählten Geschichte stark beeinflusst.


Verbindung von Person und Agens

Im Roman Eistau ist die Verbindung zwischen Zeno und dem Gletscher deutlich erkennbar. Der Glaziologe Zeno, hat sein Leben der Erforschung eines Alpengletschers gewidmet – bis er eines Sommers feststellt, dass sein Gletscher geschmolzen ist. Das Eis ist unter Geröll, Schutt und Schmutzablagerungen beinahe völlig verschwunden.

Der Steilabfall war noch vereist, doch weiter unten, vor uns, waren nur noch Broken eingedunkelten Eises über den Hang verstreut, wie Bauschutt, der darauf wartet, entsorgt zu werden. (Trojanow 2011, S. 86)

Ich legte mich auf das Geröll. Zusammengekrümmt lag ich da, ein Häufchen Elend (...). (Trojanow 2011, S. 87)

An diesen Zitaten ist zu erkennen, dass Zeno eine tiefe Verbundenheit zu diesem Gletscher hat, die mit Liebe gleichzusetzen ist. Nach dem Gletschertod schlägt Zenos Trauer in Wut um. In Wut über die an der Natur betriebenen Zerstörung, in Zorn über die Gleichgültigkeit angesichts einer zunehmenden Umweltzerstörung, in Verzweiflung, weil sich alles dokumentieren, aber nicht ändern lässt. Der Verlust des Gletschers ist für den Glaziologen wie der Tod eines Familienmitglieds.


Beispiele in literaturverwandten Werken

Das Agens im Roman Der Schwarm von Frank Schätzing

In Der Schwarm ist die Menschheit Angriffen einer unbekannten Intelligenz aus dem Meer ausgesetzt, die auf der ganzen Welt verteilt auftreten. Ein Krisenstab aus Wissenschaftlern finden heraus, dass diese Intelligenz mit der Motivation, die Menschen aus den Meeren zu vertreiben, handelt. Auch vor dem Auslöschen der Menschheit macht die Intelligenz nicht Halt. In einer Expedition sollen die zuständigen Wissenschaftler mit der Intelligenz, die sie Yrr genannt haben, Kontakt aufnehmen und die Auslöschung der Menschheit verhindern.[9]

[Die Glaskuppel des U-Boots abzunehmen] wäre ein vielleicht gut gemeinter, aber ziemlich finaler Versuch der Kontaktaufnahme. Das wird sie nicht tun. Sie ist intelligent. Sie? Wie schnell man doch in menschliche Denkweisen verfällt. (Schätzing 2004, S. 984)


Das Agens im Roman Die Wand von Marlen Haushofer

In Die Wand wird die Protagonistin von einer unsichtbaren Wand von der Außenwelt abgeschottet. Alle Lebewesen außerhalb dieser Wand scheinen erstarrt, die (namenlose) Protagonistin ist vor diesem Schicksal geschützt und zugleich gefangen. Diese Wand ist ein geeignetes Beispiel, für einen nicht-meschlichen Einfluss mit direkter Auswirkung auf die Erzählung.[10]

Ich stand noch dreimal auf und überzeugte mich davon, daß hier, drei Meter vor mir, wirklich etwas Unsichtbaren, Glattes, Kühles war, das mich am Weitergehen hinderte. (Haushofer 2004, S.15)


Person und Agens in der Kinderliteratur: Die Umweltkonferenz der Tiere

Das Sachbilderbuch Die Umweltkonferenz der Tiere von Anita van Saan und Dorothea Tust ist ein Buch für Kinder, welches den Lebensraum der Tiere thematisiert. Auf einer sogenannten Umweltkonferenz sprechen die unterschiedlichen Tiere über die Zerstörung der Natur von den Menschen.

Auch Autogase machen, wie man weiß, uns´re Erde viel zu heiß, manche Orte unbewohnbar. Das Klima wird anders, soviel ist klar. Drückende Hitze, viele Unwetter! Hilfe, wo bleiben die Klimaretter?“ (Van Saan & Tust 2019, S. 19)

In diesem Kindersachbuch sind die Tiere die fiktiven Personen, die eine elementare Rolle innerhalb des Werkes einnehmen. Der Agens ist die klimatischen Veränderung, weswegen die Tiere ihren Lebensraum zerstören und die Konferenz abhalten.
So weist dieses Kinder-Sachbuch bereits verschiedenste Facetten der umweltbezogener Literatur auf.[11]


Person und Agens in umweltbezogenen Theater: TORNADO

Tornado auf einem Feldweg.


Auch die Kunst benutzt die Natur als Agens für eine treffende Umsetzung. In Tornado, ein Klima-Theater-Desaster von Tobias Rausch übernimmt die Natur die Bühne. Die Besucher*innen des Stücks durchlaufen drei Räume und werden so Teil des Stücks. Dabei tritt der Mensch, der innerhalb des Stücks als fiktive Person betrachtet werden kann, komplett in den Hintergrund und das Wetter rückt in den Vordergrund. Am Ende wird ein künstlicher Tornado live auf der Bühne erzeugt, der als non-human actor agiert: ein erfahrbares Agens. [12]


Tendenz: Person und Agens innerhalb der umweltbezogenen Literatur

Der Klimawandel wird in der umweltbezogenen Literatur aktuell meist durch extreme Wetterveränderungen (Milchzähne) oder durch bedrohte Lebensräume der Natur (Eistau) dargestellt. Dieser Trend könnte künftig weiter fortgeführt werden. Personen und Agenzien sind generell ein Hauptbestandteil in der Literatur. So wird der Klimawandel nahbar und erfahrbar gemacht. Die Extrem-Wetter, wie sie im Jahre 2021 geschehen sind, haben selbst in Deutschland viele Menschen vor unfassbare Herausforderungen gestellt. [ Durch Überschwemmungen haben mehrer hundert Menschen in der Region Ahrweiler alles verloren.][13] Auch der Hagelsturm von Reutlingen gilt als ein solches Ereignis, das in die Historie eingegangen ist. [14]

Die globalen Klimaveränderungen werden in den nächsten Jahren einen immer größeren Einfluss auf die Gesellschaft haben, und damit auch auf die Literatur. Laut dem Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz ist der Klimaschutz ein Transformationsprozess, der neue Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft schafft. (Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, 2018, S.52). [15]

So werden die globalen klimatischen Veränderungen zwangsläufig auch in der Literatur zu finden sein. Möglicherweise werden Personen und Agenzien in unterschiedlichsten Formen den Ausgang eines Buchen bestimmen, ähnlich wie es Trojanow und Bukowski in ihren Werk bereits umgesetzt haben.

Belege

  1. vgl. Meisch, S. und Hofer, S. (2018). Extremwetter: Konstellationen des Klimawandels in der Literatur der frühen Neuzeit. In S. Mensch & S. Hofer [Hrsg.] Extremwetter: Konstellationen des Klimawandels in der Literatur der frühen Neuzeit (1. Aufl., S. 9 - 67). Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft
  2. vgl. Dürbeck, G. und Nesselhauf, J. (2015). Figuren und narrative Instanzen in umweltbezogener Literatur. Eine Einführung. In G. Dürbeck, U. Stobbe & J. Nesselhauf [Hrsg.], Nr. 2 (2015): Helden, ambivalente Protagonisten, nicht-menschliche Agenzien. Zur Figurendarstellung in umweltbezogener Literatur (S. 1 - 11)
  3. vgl. Wikipedia.de (2022): Person. In: Wikipedia.de. Online, zuletzt abgerufen am 16.01.2022.
  4. Dürbeck, G. und Nesselhauf, J. (2015). Figuren und narrative Instanzen in umweltbezogener Literatur. Eine Einführung. In G. Dürbeck, U. Stobbe & J. Nesselhauf [Hrsg.], Nr. 2 (2015): Helden, ambivalente Protagonisten, nicht-menschliche Agenzien. Zur Figurendarstellung in umweltbezogener Literatur (S. 1 - 11)
  5. vgl. Bibliographisches Institut GmbH, 2022 (2022): Duden. Online, zuletzt abgerufen am 16.01.2022.
  6. vgl. Kohlik, Anne (2019): Gefangen in einem endlosen Sommer. In Deutschlandfunk Kultur. Online, zuletzt abgerufen am 16.01.2022
  7. vgl. Kohlik, Anne (2019): Gefangen in einem endlosen Sommer. In Deutschlandfunk Kultur. Online, zuletzt abgerufen am 16.01.2022
  8. Trojanow, I. (2011). Eistau. München: Carl Hanser.
  9. Schätzing, F. (2004). Der Schwarm. (13. Aufl.) Köln: Kiepenheuer & Witsch.
  10. Haushofer, M. (2004). Die Wand (14. Aufl.)Hamburg: Claassen.
  11. Van Saan, A. & Tust, D. (Hrsg.) (2019). Die Umweltkonferenz der Tiere. Hamburg: Carlsen.
  12. Tobias Rausch (2021): TORNADO. Ein Klima-Theater-Desaster. In: YouTube. Online, zuletzt abgerufen am 29.01.2022.
  13. vgl. Neue Züricher Zeitung (2021): Wie das Hochwasser in Ahrweiler so verheerend wurde. In: YouTube. Online, zuletzt abgerufen am 29.01.2022.
  14. vgl. Stuttgarter Zeitung (2013): Nach zehn Minuten Hagel war nichts mehr wie zuvor. In: stuttgarter-zeitung. Online, zuletzt abgerufen am 29.01.2022.
  15. vgl. Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2018): Klimaschutz in Zahlen. In: bmuv. Online, zuletzt abgerufen am 29.01.2022.