Benutzer: Jörn Helwig/Werkstatt

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Die Vielfalt der Zeichen im Brettspiel e-Mission

Brettspiele sind gespickt mit Zeichen, die dafür sorgen, dass Spielende einen möglichst schnellen und intuitiven Einstieg in das Spiel haben, so auch das auf den Klimawandel verweisende Spiel e-Mission. Allerdings handelt es sich auch bei diesen Zeichen um ein System, welches zuerst erlernt werden muss. Dieses Erlernen dient nicht nur dem Zweck, das Spiel spielen zu können, sondern sorgt dafür, Wissenskommunikation über den Klimawandel durchzuführen.

Theoretische Grundlagen

Um visuelle Zeichen in Brettspielen zu analysieren, ist es erforderlich, sich mit der Semiotik zu beschäftigen – der Lehre von Zeichen und ihrer Bedeutung.[1] Diese Bedeutung macht einen Interpretanten erforderlich, der einem Zeichen die Bedeutung zumisst.[2] Im Sinne der Sozialsemiotik von Kress und van Leeuwen behandelt die Zeichenforschung nicht nur die Sprache, sondern auch Bilder, Symbole und visuelle Darstellungen als bedeutungstragende Zeichenformen.[3] Charles Sanders Peirce, einer der Begründer der modernen Semiotik, teilt Zeichen in eine Trias aus Index, Ikon und Symbol. Ein Index ist ein Zeichen, welches kausale Verbindungen zu einem Objekt aufweist.[4] Ein Ikon hingegen ist ein Zeichen, das aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem Dargestellten wirkt. Ein Bild eines Löwen könnte beispielsweise auf einer Ebene ein Bild exakt dieses einen Löwen darstellen, aber auch genauso als visuelle Referenz für die gesamte Tierart Löwe stehen.[5] Bei den Symbolen im semiotischen Sinne handelt es sich um Zeichen, die aufgrund von gesellschaftlichen Konventionen entstanden sind.[6]

Beispielhaft zu erwähnen wäre hierbei die Friedenstaube. Die Bestandteile „Frieden“ und „Taube“ weisen keinerlei Korrelation auf. Dadurch setzen Symbole ein Vorwissen über ihre Bedeutung voraus – ohne dieses ist eine Fehlinterpretation möglich.[7] Einen Sonderfall stellt das Piktogramm, ein metonymisches Ikon, dar. Es verweist auf etwas anderes als das Dargestellte – z. B. steht ein stilisiertes Männchen auf einer Toilettentür nicht für das Bild an sich, sondern weist auf die Benutzergruppe hin.[8] Kontext und kulturelles Wissen sind bei Piktogrammen essenziell.

Neben den einzelnen Zeichentypen können auch Farben Teil der Wissenskommunikation sein sowie einem schnelleren Erfassen der Zeichensprache innerhalb von Brettspielen dienen. Während die Farbe Grün auf die Natur (Blätter, Gras) verweist, signalisiert Blau beispielsweise Himmel und Wasser.[9] Außerdem gibt es Farben, die aus der Natur gewonnen wurden, wie Schwarz aus der Holzkohle, und somit darauf verweisen.[10] Eine weitere wichtige Funktion von Farben ist die Strukturierung und Differenzierung von Informationen.[11]

Analyse des Brettspiels e-Mission

Um im weiteren Verlauf Brettspiele als wissenskommunizierendes Medium wahrzunehmen, ist es notwendig, dem Spiel eine Haltung gegenüberzubringen, die Brettspiele zum Untersuchungsgegenstand machen.[12] Bei dem hier analysierten Untersuchungsgegenstand handelt es sich um e-Mission, das „Kennerspiel 2024“, bei dem die Spielenden sich dem Kampf gegen den Klimawandel annehmen. Spielende übernehmen die Rolle einer ausgewählten Weltmacht und sollen so die globale Erderwärmung aufhalten.[13] Das Spiel besteht aus verschiedenen Spielkomponenten: Spielplan, Tableaus, diverse Kartenarten (Projektkarten, Krisenkarten, Startkarten etc.) sowie Marker und Plättchen.[14] Im Folgenden werden die visuellen Zeichen auf den Karten, welche die Vielfalt der Zeichen im Brettspiel e-Mission widerspiegelt, analysiert. Dazu wird auf die Kategorisierung der Zeichen nach Charles S. Peirce (Index, Ikon, Symbol) zurückgegriffen.

Die „Symbole“ bei e-Mission

Aus Gründen des Umfangs werden fortlaufend nur die sogenannten „Symbole“, „Emissionsplättchen“ und „Energieplättchen“ untersucht. Zur Unterscheidung der Symbole im Peirce’schen Sinne wird die Spielkategorie „Symbole“ fortan als Spielsymbole bezeichnet. Blickt man auf die unterschiedlichen Karten des Spiels, wie beispielsweise die Projektkarten, sind die visuellen Zeichen in der oberen rechten Ecke markant (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Projektkarte e-Mission (Scan: Jörn Helwig).

Das grün umrahmte visuelle Zeichen zeigt ein Stromkabel, welches ebenso in der beigefügten Legendenkarte (siehe Abbildung 2) – dort versehen mit der Beschreibung „Energie“ – zu finden ist (Abb. 2, S1).

Abbildung 2: Legendenkarte e-Mission (Scan: Jörn Helwig).

Dieses Spielsymbol kann beispielsweise als indexikalisches Zeichen aufgefasst werden, da das Stromkabel ein Indikator für den Stromfluss ist und somit auf die Energie hinweist. Des Weiteren weisen das visuelle Zeichen eines Stromkabels und das Wort „Energie“ Zusammenhänge auf, die sich auch im Sprachlichen durch das Synonym „Strom“ für „Energie“ wiederfinden. Ähnlich verhält es sich beim visuellen Zeichen für das „Stromnetz“, welches, obwohl es einen Strommasten zeigt, nicht auf diesen Strommasten, sondern, wie die Legende erklärt, auf das gesamte Stromnetz hinweist (Abb. 2, S2).

Eine abweichende Darstellung findet sich beim visuellen Zeichen für „Geld“ in e-Mission (Abb. 2, S5). Obwohl die abgebildeten Münzen – aufgrund fehlender (Wert-)Prägungen – nicht exakt wie echte Münzen aussehen – ist ihnen eine visuelle Ähnlichkeit zu Geld nicht abzusprechen. Die Analyse offenbart ein weiteres, im wissenschaftlichen Sinne, „Nicht-Symbol“ unter den Spielsymbolen: Somit scheint es sich bei dem im Spiel e-Mission verwendeten Symbolbegriff eher um einen weit gefassten Begriff zu handeln, bei dem Zeichen synonym mit dem Begriff „Symbol“ verwendet werden.[15]

Das Spielsymbol zu „Innovation“ ist hingegen als Symbol zu deuten, da die Darstellung auf eine konventionale Idee verweist, eine Glühbirne als Sinnbild für Ideen und Erfindung zu verwenden (Abb. 2, S6). Allerdings lässt die Musterhaftigkeit der anderen Spielsymbole ohne die Beschreibung nicht zwingend zuerst an Innovation denken. Das bereits beschriebene Stromkabel befindet sich beispielsweise im selben lexikalischen Feld (Elektrizität) wie die Energie.[16] Eine Glühbirne bewegt sich aber aufgrund des aktuellen Forschungsstands nicht mehr innerhalb der thematischen Rahmung „Innovation“.

Unklarheiten weist das Spielsymbol „Pflanze“ auf, denn während Energie, Geld und Innovation als Bedingungen für klimafreundliches Handeln stehen, kann dieses Zeichen auf verschiedene Art und Weise interpretiert werden (Abb. 2, S4). Während die Pflanze als ikonisches Zeichen dargestellt wird, ist das visuelle Zeichen semantisch mehrdeutig und kann sowohl als konkrete Pflanze wie auch als im Imperativ gestellte Aufforderung zum Handeln interpretiert werden. Das Spielsymbol bleibt uneindeutig.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass es sich bei den wenigsten Spielsymbolen tatsächlich um Symbole im Sinne Charles S. Peirces handelt, sondern hauptsächlich um Indizes sowie einige Ikone. Auch eine Einordnung als Piktogramme ist nicht möglich, da die Zeichen nur im Spielzusammenhang Sinn ergeben und keine universelle Verständlichkeit besitzen, wie es beispielsweise bei Toilettenbeschilderungen der Fall ist. Die sich als hauptsächlich indexikalisch herausstellenden Zeichen bei den Spielsymbolen stehen eher pars pro toto, also für ein größeres System (Windrad steht für die Windkraft).

Einen weiteren Sonderfall stellt das Spielsymbol „Solar“ dar, bei dem die Assoziation zu Solarpanelen für RezipientInnen nur durch die gelbe Hintergrundfarbe aufkommt (Abb. 2, S3). Als Index interpretiert, tut sich eine Diskrepanz zwischen Text und visuellem Zeichen auf, die sich nur im Alltagssprachlichen erklären lässt. Die Solarpanele weisen nicht auf Solar hin, sondern auf Solarenergie. Ein Faktor, der als kleinlich und zu vernachlässigen beschrieben werden könnte, aber faktisch seitens der Spieleautoren nicht korrekt ist. Denn: Der Index für „Windkraft“, verweist auch nicht auf den Wind, sondern auf die aus ihm gewonnene Energie. Das Adjektiv „solar“ kommt aus dem Lateinischen und charakterisiert Wörter, die im lexikalischen Feld „Sonne“ genutzt werden. Da eine Nutzung als Ikon aufgrund der Uneindeutigkeit der dargestellten Solarpanele sowie als Symbol nicht sinnvoll ist, lässt sich das Spielsymbol als Index interpretieren, dem als eigentliches Spielsymbol für das Wort „Solarenergie“ ein Fehler in der Legende zugrunde liegt.

Die Plättchen und die Farbcodierung bei e-Mission

Eine weitere Kategorie des Spiels e-Mission sind die Emissionsplättchen (siehe Abbildung 2). Bei allen Zeichen handelt es sich um Indizes. Sie weisen durch einfache Bilder (z. B. Mülltonne, Auto, Bohrturm) auf abstrakte Konzepte wie Müll, Verkehr oder fossile Energiequellen hin. Bis auf den Bohrturm, der nicht pars pro toto für das Erdöl steht, bilden alle Emissionsplättchen einen Teil der Gesamtheit ab. Auffällig ist die Farbe Anthrazit, die alle Emissionen darstellen soll. Dies weckt Assoziationen zu Steinkohle, Rauch oder Erdöl – und somit negative Konnotationen.

Aber nicht nur bei den Emissionsplättchen, sondern auch bei den Energieplättchen findet man die Farbe Anthrazit wieder. Allerdings ist diese nur auf einer Seite zu finden, denn die Plättchen sind auf der anderen Seite in Grün gefärbt. Das Spiel e-Mission markiert die grüne Seite dabei als „Saubere Energie“ und die anthrazitfarbene Seite als „Schmutzige Energie“. Ein interessanter Frame, bezogen auf die Emissionsplättchen, die komplett in Anthrazit gekennzeichnet sind.[17] Sie lassen sich somit farblich als ebenso „schmutzig“ darstellen, obwohl nur eines der Plättchen, nämlich „Müll“, tatsächlich ein Synonym für Schmutz darstellt. Die grüne Seite des Energieplättchens wird als „sauber“ beschrieben. Diese Verbindung der „sauberen“ grünen Farbe zu Blättern und Gras sowie als generelles Zeichen für das Leben durch den biologischen Prozess der Photosynthese sind Assoziationen, die diese Farbe hervorbringt.[18]

Die Farbcodierung der Zeichen in e-Mission dient also nicht nur der Unterscheidung, sondern auch der Bedeutungszuschreibung. Das für die „Windkraft“ genutzte Blau hat beispielsweise einen evolutionären Ursprung aufgrund des Himmels, der bildhaft den Hintergrund des Index bildet.[19] Des Weiteren steht die Farbe ebenso für das Wasser, wo sich viele Windräder in Offshore-Windparks befinden.[20] Grün (Energie, Pflanze), Gelb (Solar), Blau (Windkraft, Stromnetz) und Gold/Silber (Geld, Geo-Engineering) entsprechen häufig natürlichen oder kulturell geprägten Farbkonventionen. Allerdings sind nicht alle Farbcodierungen auf eine evolutionäre Verbindung zurückzuführen, sondern dienen zum Teil auch der Ordnung von Elementen.[21] Daher kann man zum Teil von der Farbe als Unterscheidungs- und Ordnungsmerkmal ausgehen.

Die Analyse von e-Mission zeigt, dass das Spiel auf eine Vielzahl indexikalischer und ikonischer Zeichen zurückgreift, jedoch den Symbolbegriff nach Peirce unscharf verwendet. Die visuelle Gestaltung, insbesondere die Farbwahl, spielt eine wesentliche Rolle bei der Bedeutungszuweisung in e-Mission. Die Zeichen sind stark kontextabhängig und besitzen außerhalb des Spielkontexts keine eindeutige Bedeutung. Das Spiel bietet dennoch einen spannenden Zugang zur Vermittlung eines komplexen Inhalts wie dem Klimawandel durch die Verwendung einer Vielfalt intuitiv verständlicher visueller Zeichen.

Belege

  1. Kjørup, Søren (2009): Semiotik. Paderborn: Fink. S. 7; Ort, Nina (2024): Wie wir Ideen klar machen. Die Semiotik von Charles S. Peirce zur Einführung. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. S. 22.
  2. Ort, Nina (2024): Wie wir Ideen klar machen. Die Semiotik von Charles S. Peirce zur Einführung. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. S. 22.
  3. Böhm, Felix (2021): Präsentieren als Prozess. Multimodale Kohärenz in softwaregestützten Schülerpräsentationen der Oberstufe. Diss. Universität Kassel. Tübingen: Stauffenburg. S. 90f.
  4. Ort, Nina (2024): Wie wir Ideen klar machen. Die Semiotik von Charles S. Peirce zur Einführung. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. S. 22–24.
  5. vgl. Kjørup, Søren (2009): Semiotik. Paderborn: Fink. S. 50.
  6. vgl. Ort, Nina (2024): Wie wir Ideen klar machen. Die Semiotik von Charles S. Peirce zur Einführung. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. S. 25f.
  7. Ort, Nina (2024): Wie wir Ideen klar machen. Die Semiotik von Charles S. Peirce zur Einführung. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. S. 26.
  8. vgl. Kjørup, Søren (2009): Semiotik. Paderborn: Fink. S. 59f.
  9. Wildgen, Wolfgang (2013): Visuelle Semiotik. Die Entfaltung des Sichtbaren: Vom Höhlenbild bis zur modernen Stadt. Bielefeld: transcript (Image, 57). S. 117.
  10. Wildgen, Wolfgang (2013): Visuelle Semiotik. Die Entfaltung des Sichtbaren: Vom Höhlenbild bis zur modernen Stadt. Bielefeld: transcript (Image, 57). S. 117.
  11. van Leeuwen, Theo (2011): The language of colour. An introduction. London: Routledge. S. 92f.
  12. Böhm, Felix (2023): Über Klimawandel sprechen – Vom Klimawandel erzählen – Über Klimawandel nachdenken. Durch drei Perspektiven zu einem Deutschunterricht für nachhaltige Bildung. In: Leseforum Schweiz. Literalität in Forschung und Praxis 2, S. 1–21. Zuletzt zugegriffen am 06.02.2025 unter URL= https://www.leseforum.ch/sysModules/obxLeseforum/Artikel/788/2023_2_de_boehm.pdf S. 15.
  13. Leacock, Matt; Menapace, Matteo (2023): e-Mission: Schmidt Spiele.
  14. Leacock, Matt; Menapace, Matteo (2023): e-Mission: Schmidt Spiele.
  15. Nöth, Winfried (2000): Handbuch der Semiotik. 2., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Metzler. S. 178.
  16. vgl. Lutzeier, Peter Rolf (1995): Lexikalische Felder - was sie waren, was sie sind und was sie sein könnten. In: Gisela Harras (Hrsg.): Die Ordnung der Wörter. Kognitive und Lexikalische Strukturen. Berlin: De Gruyter (Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache, 1993), S. 4–29. S. 15f.
  17. Gardt, Andreas (2012): Textsemantik. Methoden der Bedeutungserschließung. In: Jochen A. Bär und Marcus Müller (Hrsg.): Geschichte der Sprache - Sprache der Geschichte. Probleme und Perspektiven der historischen Sprachwissenschaft des Deutschen. Oskar Reichmann zum 75. Geburtstag. Berlin: Akademie-Verlag (Lingua Historica Germanica, 3), S. 60–83. S. 73f.
  18. Wildgen, Wolfgang (2013): Visuelle Semiotik. Die Entfaltung des Sichtbaren: Vom Höhlenbild bis zur modernen Stadt. Bielefeld: transcript (Image, 57). S. 116f.
  19. Wildgen, Wolfgang (2013): Visuelle Semiotik. Die Entfaltung des Sichtbaren: Vom Höhlenbild bis zur modernen Stadt. Bielefeld: transcript (Image, 57). S. 116f.
  20. Wildgen, Wolfgang (2013): Visuelle Semiotik. Die Entfaltung des Sichtbaren: Vom Höhlenbild bis zur modernen Stadt. Bielefeld: transcript (Image, 57). S. 116f.
  21. Hoffmann, Volker; Helmle, Simone (2009): Gestaltung von wissenschaftlichen Postern. Hohenheim: Universität Hohenheim. Zuletzt zugegriffen am 14.03.2025 unter URL= https://www.gewisola.de/files/posterhoffmannhelmle.pdf S. 4.