Intersektionalität im Ökofeminismus

Aus wiki.climate-thinking.de
Wechseln zu: Navigation, Suche
Icon-Zahnrad.png
Dieser Beitrag ist kein inhaltlicher Bestandteil des Living Handbooks, sondern die persönliche Werkstatt-Seite von Nutzer*in Intersektionalität im Ökofeminismus. Bitte nehmen Sie keine Änderungen an dieser Seite vor, ohne dies zuvor mit Intersektionalität im Ökofeminismus abgesprochen zu haben.

Intersektionalität im Ökofeminismus

Intersektionalität im Ökofeminismus beschäftigt sich mit der Überschneidung Diskriminierung auf Basis von Machtverhältnissen, welche Individuuen in Anbetracht der Klimakriese bereits erfahren und erfahren werden. Dabei lassen sich Unterschiede in der Vulnerabilität von maginalisierten Gruppen feststellen.

In diesem Artikel werden die beiden Begriffe Intersektionalitätund Ökofeminismus definiert, sowie auf die Notwenigkeit einer Feminstischen Perspektive auf die Klimakriese erläutert. Des weiteren wird Kritik an Ökofeminsmus und Intersektionalität angeführt und auf den afrozentrischen Ökowomanismus eingegangen.

Einführung in die Begriffe Ökofeminismus und Essenzialismus

Andra

Ökofeminismus entstand Mitte der 1970er Jahre. Angesichts der Zunahme von Umweltkatastrophen wurde in ökofeministischen Theorien die Frage nach der Verbindung zwischen der Dominanz und Ausbeutung von Natur sowie der Dominanz und Ausbeutung von Frauen adressiert. Der Ökofeminismus ist somit eine Strömung innerhalb der Umweltphilosophie, die feministische Perspektiven zur Analyse von Machtverhältnissen und zur Lösung umweltbezogener Problematiken für unerlässlich hält. Je nach Ausprägung kann der Ökofeminismus Schwerpunkte anderer Strömungen wie beispielsweise der Tierethik oder dem Postkolonialismus aufgreifen und behandeln. Nicht alle Positionen innerhalb des Ökofeminismus sind miteinander vereinbar. Zum Beispiel besteht eine Diskrepanz zwischen essentialistischen und intersektionalen Positionen.

Innerhalb feministischer Theorien bedeutet Essentialismus, dass von einer Essenz des Weiblichen bzw. Männlichen ausgegangen wird. Diese wird den Geschlechtern insbesondere anhand von biologischen Merkmalen in antagonistischer Manier zugeschrieben. Essentialistische Positionen setzen damit die Subjekte Mann und Frau fest und haben erhebliche Schwierigkeiten, Abweichungen und Überlappungen zwischen den Geschlechtern erklären zu können.

Es ist außer Zweifel, dass zahlreiche Vertreter*innen des Ökofeminismus wie Brian Swimme, Kay Salleh oder Vandana Shiva essentialistische und/oder generalisierende Charakteristika in ihrem Argumentationsgang aufweisen und ihre Theorien entsprechend der Kritik bedürfen. Der vorliegende Artikel legt jedoch besonderen Augenmerk auf diejenigen Positionen, die den Essentialismus zugunsten einer intersektionalen Perspektive ablehnen.

Statistiken, Warum wir eine Feministische Perspektive auf die Klimakrise brauchen

Luftaufnahme von zerstörten Wohnmobilen in Punta Gorda, Florida, nach dem Hurrikan Charley.

Nele

Die Notwendigkeit einer feministischen Perspektive auf die Klimakrise ergibt sich, wenn man beispielsweise Statistiken zur Gefährdung verschiedener Personengruppen bei Umweltkatastrophen betrachtet. So sind Frauen und andere marginalisiert Gruppen am meisten von Klimaveränderungen betroffen / Dies zeigt, dass Frauen und andere marginalisierte Gruppen disproportional gefährdet sind durch die Auswirkungen der Klimakrise {"women and children are 14 times more likely to die in ecological disasters than men" Gaard, S.10 + Beispiel Hurrikane Katrina). Intersektionale Ökofeminist*innen wie Gaard stellen dabei heraus, dass diese Verletzlichkeit von Frauen nicht angeboren ist, sondern ein Resultat von Ungleichheit ist, die durch vergeschlechtlichte soziale Normen, Diskriminierung und Armut ("inequities produced through gendered social roles, discrimination, and poverty" Gaard, S.9) entsteht. Weitere Faktoren der Gefährdung von Frauen sind "residence on marginal land susceptible to subsidence, erosion, or flooding; precarious or informal employment; increasing exposure to waterborne and vector-borne disease" (Allison, p.152) [Die Konstruktion dieses Phänomens der "gendered vulnerability" zu entlarven und aufzulösen fällt in das Aufgabenfeld des intersektionalen Ökofeminismus.]

Trotz ihrer Verletzlichkeit/Betroffenheit sind Frauen und andere marginalisierte Gruppen unterrepräsentiert “at all levels of decision making regarding climate change” (Kaijser & Kronsel, p.418).

(Die folgenden drei Paragraphen habe ich alle zu unterschiedlichen Bearbeitungs-Zeitpunkten geschrieben, weshalb sie inhaltlich alle sehr ähnlich sind, aber nicht wirklich ineinander überleiten. In jedem steckt noch mal ein neuer Kritikpunkt, weshalb ich sie noch so ausformuliert lasse, aber bei Gelegenheit muss ich das mal ein bisschen umsortieren und komprimieren.)

Ein weiterer Aspekt, der die Notwendigkeit einer feministischen Perspektive auf die Klimakrise verdeutlicht, ist die Tatsache, dass aktuelle Ansätze unzureichend sind. Der Mangel einer geschlechtersensitiven Betrachtung und Diskussion der Klimakrise führt dazu, dass diese hauptsächlich aus einer rein wissenschaftlichen Perspektive analysiert wird, welche technologische und wissenschaftliche Lösungen befürwortet (-> inwiefern ermöglicht eine feministische Perspektive ein ideologisches Umdenken?). Dieses Primat technischer Lösungsansätze verzerrt die eigentlichen Ursachen der Klimakrise, welche in Ausbeutungs- und Unterdrückungsstrukturen liegen. Gleichzeitig werden so Daten und Perspektiven ausgeschlossen, die zum Abwenden der Klimakrise beitragen können (Gaard, S.13), während stattdessen antifeministischen Lösungsansätzen wie Populationskontrolle, Militarisierung und Anti-Immigrationsmaßnahmen Tür und Tor geöffnet wird (Gaard, S.14). Der maskulinistische Charakter der Analyse der Klimakrise ("masculinist character of climate change analyses", Gaard, S.25) lässt sich einerseits durch die hauptsächliche Teilnahme von Männern in politischen Entscheidungsprozessen (Statistik noch einsetzen) zurückführen, andererseits steckt dahinter auch die historische Privilegiertheit des Standpunkts weißer Männer in der Wissensproduktion ("master subject").

// Der Klimawandel wird meist als ein hauptsächlich wissenschaftliches Problem verstanden, welches es mithilfe neuer technologischer Innovationen zu lösen gilt. Dabei hat die Klimakrise Auswirkungen auf das Leben einer jeden Person. Trotzdem werden die Effekte auf die private Sphäre (Allison, p.153) und die verschiedenartigen, lokalen Ausprägungen des Klimawandels vernachlässigt. Es gibt in der Debatte um die Klimakrise wenig bis keine Aufmerksamkeit für die Art und Weise, wie der Klimawandel (eig. “climate governance”) erlebt und “enacted” wird. Die Wahrnehmung der Klimakrise als größtenteils wissenschaftlich-politisches Problem ermöglicht es, die konkreten Erfahrungen der Betroffenen auszublenden. Dies ist problematisch, da die Menschen, die in einem bestimmten Gebiet leben, über spezifisches Wissen (“situated knowledge”, Kajiser and Kronsell p. 423) verfügen, das ihre Lebensweise generiert und welches “highly valuable for addressing climate change issues” (ebd.) sein kann. Dieses ‘Opfern’ von situated knowledge geschieht zugunsten der Aufrechterhaltung der “objective view”: “a romantic belief in the possibility of connection-free knowledge from an outside-of-nature, perspective-free viewpoint” (Allison, p.153). Der westliche Denkstil operiert unter dieser Annahme, dass es einen perspektivlosen, absolut neutralen Standpunkt gibt, von dem aus man Wissenschaft betreiben kann. Feministische Epistemolog*Innen lehnen dies allerdings ab, da historisch weiße, reiche Männer durch ihren sozialen Status in der Wissensproduktion privilegiert sind. Das Betreiben von Wissenschaft von diesem Standpunkt aus führt allerdings zu einer Verzerrung vieler Forschungsergebnisse (Stichwort gender data gap), welche allerdings unter dem Deckmantel der Neutralität fälschlicherweise oft als universell verstanden werden. //

Eine wissenschaftliche Betrachtung erfolgt allerdings historisch aus der Position eines maskulinen Subjekts, welches kulturell die Norm darstellt. Dadurch werden weibliche Perspektiven ausradiert und Forschungsergebnisse, beispielsweise aus der Medizin, stammen meist aus der Forschung an Männern. Feministische Epistemolog*innen sprechen daher von einer maskulinistischen Beschaffenheit der Wissenschaft. Michèle Le Deouff definiert den Begriff des Maskulinistischen als „‘work which, while claiming to be exhaustive, forgets about women’s existence and concerns itself only with the position of men.’” Aufgrund dieses Anspruchs auf Exhaustivität entsteht ein Ausschluss nicht-männlicher Menschen von der Wissensproduktion. Der Geltungsanspruch des so gewonnenen Wissens bezieht sich auf ein männliches Subjekt, wird allerdings auf alle anderen Personen generalisiert und als für alle gültig befunden, weshalb davon ausgegangen wird, dass es das einzig mögliche Wissen sei. Diese postulierte Universalität der wissenschaftlichen Betrachtung verdeckt allerdings die Voreingenommenheit des Standpunkts.

Dazu sollte im Rahmen dieser intersektionalen Betrachtung ergänzt werden, dass auch Menschen, die vom eurozentrischen Bild des weißen, heterosexuellen Cis-Mannes abweichen, von der Wissensproduktion ausgeschlossen werden.

Die unter anderem epistemologische Marginalisierung von Frauen und BIPoC macht sich in der Debatte um die Klimakrise bemerkbar, wenn der globale Norden beispielsweise technologische Innovationen zum Bekämpfen der Klimakrise für den globalen Süden fordert, ohne spezifische Kenntnisse von der Situation vor Ort zu haben oder anstelle diese eigene Konzepte entwickeln zu lassen. Das Bestehen auf technologische Lösungsansätze zur Klimakrise wird des Weiteren von vielen Ökofeminist*innen als kritisch gesehen, da durch den privilegierten eurozentrischen Standpunkt, von dem aus Wissenschaft “gemacht" wird, mitunter partiell gültige Forschungsergebnisse gewonnen werden. Es wird des Weiteren kritisiert, dass technologische Lösungsversuche das eigentliche Problem, und zwar die Systeme der Ausbeutung und Unterdrückung der Natur, ignorieren und somit nicht an der Wurzel des Problems ansetzen. Anstelle alternative Konzepte zur Nutzung von Ressourcen zu entwicklen, verharren technologische Ansätze meist in der Dominanzlogik und rechtfertigen den Verbrauch weiterer Ressourcen (beispielsweise des Lithium-Abbaus zum Bau von Akkus für Elektro-Autos) im Namen des Umweltschutzes.

Intersektionalität und Geschlechtergerechtigkeit

Johanna

In Beziehungen auf allen Ebenen finden sich Intersektionen von Macht, dabei bilden soziale Kategorisierungen bzw. ihre Kombination die Basis zur Ein- und Ausgrenzung. So wird z. B. Erstrebenswertes, Attraktives, Abweichendes und als normal Geltendes definiert und in Individuelle Handlungen und der institutionellen Praxis vorgefunden. Zu Grunde gelegt werden dafür implizite Machtmuster. Dargestellt werden diese Machtstrukturen häufig als natürliche Unterschiede und müssen nicht konkret genannt werden. Im Fall vom Diskriminierung auf Basis von Geschlecht, Klasse, Herkunft, Hautfarbe, Sexualität, ethnischer Zugehörigkeit, Alter, Behinderungen und anderen Formen menschlicher Unterschiede handelt es sich um solche Kategorien deren Strukturen mithilfe Intersektionalität hinterfragt werden können.[1]

Kimberlé Crenshaw.

Als Begründerin intersektionaler Theorie wird oftmals Kimberlé Crenshaw angeführt, welche für ihren Aufsatz Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics bekannt ist. Die Soziologin Kathy Davis definiert Intersektionalität wie folgt:

„‘Intersectionality’ refers to the interaction between gender, race, and other categories of difference in individual lives, social practices, institutional arrangements, and cultural ideologies and the outcomes of these interactions in terms of power.“[2]

Anna Kaijser und Annica Kronsell formulieren als das Ziel einer intersektionalen Analalyse die Perspektive zu erweitern und darüber nachzudenken, welche Faktoren in einem bestimmten Umfeld relevant sein könnten ohne dabei das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren.[3] Insofern geht die intersektionelle Analyse darüber hinaus Diskriminierung oder z. B. die hier besprochenen Geschlechterverhältnisse zu kritisieren. Mit ihr lassen sich besonders vulnerable Gruppen identifizieren und Überschneidungen wie die von Geschlecht, Klasse, Herkunft und Hautfarbe einordnen. Entscheidend ist es, zu berücksichtigen, wie solche soziale Kategorien ausgehandelt und konstruiert werden und auf welche Weise sie sich unterscheiden. Nicht nur das betroffene Subjekt ist situiert, auch das Wissen ist historisch geschaffen.

Die Klimakriese und Geschlecht sind miteinander verwoben, jedoch gibt es bisher wenige Studien die eine ökologische Queer-Perspektive berücksichtigen. Oftmals, weil entsprechende Daten nicht in Studien erfasst werden. Angesichts der Korrelation und gegenseitigen Verstärkung von Sexismus und Homophobie können die Standpunkte von Frauen und LGBTQIA+ Individuen zum Klimawandel verglichen werden.[4] Greta Gaard und Catriona Sandilands beschäftigten sich in ihren Beiträgen Toward a Queer Ecofeminism und The Importance of Reading Queerly: Jewetts 'Deephaven' as Feminist Ecology mit einer queeren Lesart des Ökofeminismus.[5]

„There will be no climate justice without [queer] gender justice.“[6]

Im Fall der Klimakrise ist ein umfangreicher Wandel erforderlich um Geschlechterdiversität und ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung zu erreichen. Die Anwesenheit von Frauen und LGBTQIA+ in den Entscheidungsebenen ist jedoch keine automatische Garantie für eine geschlechtergerechte Klimapolitik. Um die Machtverhältnisse in der Klimapolitik in Bezug auf Geschlecht sichtbar zu machen ist es notwendig, dass Menschen die verschiedenen Klimaschutzstrategien, in Bezug auf ihre Maskulitität und Geschlechterrollen, hinterfragen.[7]

Kritik an Intersektionalität und Ökofeminismus

Johanna

Kritik an Intersektionalität richtet sich oftmals gegen die Identitätskategorien, welche die Intersektionale Analyse als Werkzeug nutzt. Die Frage wie Gruppenidentitäten verstanden werden sollen ist also auch für Intersektionalität relevant, insofern es darum geht wie mit ihnen verfahren werden soll.[8] Innerhalb der jeweiligen Bereiche gibt es anhaltende Diskurse z. B. Wie ist die Kategorie der Frauen, angesichts des Ziels die Unterdrückung von Frauen als Gruppe zu beenden, zu verstehen ist?[9]

Entscheidend für Identität ist die Erfahrung des Subjekts, insbesondere die Erfahrung innerhalb sozialer Machtstrukturen, die Ungerechtigkeit erzeugen. Des Weiteren spiel die Möglichkeit einer gemeinsamen und authentischeren oder selbstbestimmten Alternative eine große Rolle. Dieses Identitätsverständnis wird für seine Intransparenz der Erfahrungen kritisiert. Des weiteren ist Erfahrung nie vor Interpretation und immer schon in einem bedeutungsschaffendem Rahmen wie z.B. den ungleichen Herrschaftsverhältnissen. Ein übermäßiger Fokus auf die Kategorien kann zur Homogenisierung von Gruppen führen. Umgekehrt kann bei starker Gewichtung der Erfahrung von Subjekten die gemeinsame Gruppenzugehörigkeit und so auch die Möglichkeit zum Zusammenschluss im Kampf gegen die Maginalisierung verloren gehen. Es gäbe im Extremfall beispielsweise nur eine Erfahrung wie es ist eine Frau zu sein, welche für alle Frauen gilt oder durch die unterschiedlichen Erfahrungen, welche von niemandem als der Person selbst nachvollziehbar sind, nur einzelne Individuen. [Oftmals werden diese Phänomente unter dem Begriff der Identitätspolitik zusammengefasst.][10]

Intersektionalität wird weiterhin für seine Offenheit und Ambiguität kritisiert. Einige Forscher*innen wie Mieke Verloo und Leslie McCall sprechen sich für klare universal anwendbare Definitionen oder strenge methodische Leitlinien aus. So soll Intersektionalität ergänzt und zu einer 'guten' Theorie, im common sense, gemacht werden. [DIESE COMMON SENSE STELLE IST IRGENDWIE UNSCHÖN] Als wichtig erachtet wird sie von vielen Autor*innen die Bedenken äußern dennoch.[11] In Bezug auf die Grundannahme, das Kategorien soziale Konstrukte sind, wird beispielsweise entgegnet, dass es sich nicht um einen Hinweis auf eine bestimmte Identitätspolitik handelt.[12]

[DER FOLGENDE ABSCHNITT IST NOCH ZIEMLICH ROH] Über den bereits zu Beginn kritisch betrachteten Essenzialismus einiger Vertreter*innen hinweg ist der Ökofeminismus in einigen Bereichen auszubauen.

In Anbetracht dieser in anderen Bereichen bereits erkannten Verbindung gilt es auch im Ökofeminismus antifaschistische/kritische Positionen auszubauen. https://niche-canada.org/2020/06/23/queering-ecofeminism-towards-an-anti-far-right-environmentalism/ -> Ökofeminist*innen könnten davon profitieren, sich ein Beispiel an der der antifaschistischen Bewegung zu nehmen.

Weiterhin ist eine Unterrepräsentation an LGBTQIA+ Perspektiven in ökofeministischer Literatur zu beobachten. Findet sich in einem der Texte etwas zur Auswirkung der Klimakrise auf LGBTQIA+ Individuen, werden diese nur kurz genannt und verhältnismäßig gering darauf eingegangen. Weiter Forschung und das Einbeziehen dieser ist in diesem Bereich notwendig.

Was kann der Ökofeminismus vom afrozentrischen Ökowomanismus lernen?

Andra

Wie andere afrozentrische Perspektiven auch, kann der afrozentrische Ökowomanismus als ein der eurozentristischen Perspektive entgegengesetzter Standpunkt betrachtet werden. Afrozentrische Ansätze können demnach als Selbstermächtigung in einem europäisch dominierten Diskurs um Deutungshoheit verstanden werden. Der Fokus afrozentrischer Ansätze liegt auf der pan-afrikanische Kultur, Philosophie und Geschichte. Der Womanismus legt großen Wert auf die Perspektive von BIPoC[13] (Black, Indigenous and People of Color) afrikanischer Herkunft, die im Feminismus oftmals zu kurz kommt. Der afrozentrische Ökowomanismus sollte demnach nicht unter dem Begriff Ökofeminismus subsumiert werden, sondern vielmehr als eine Denkweise verstanden werden, von der der Ökofeminismus lernen kann.

In Shamara Shantu Rileys Artikel Ecology Is A Sistah´s Issue Too: The Politics Of Emergent Afrocentric Ecowomanism beschreibt die Autorin den afrozentrischen Ökowomanismus als klare Position gegen die eurozentrisch maskulinistische Ideologie der Dominanz, aus der sich der Natur-Kultur Dualismus entwickelt hat. Bezugnehmend auf die Anthropologin und Afrikawissenschaftlerin Marimba Ani wird der Dualismus als Erbe des Juden- und Christentums angesehen[14]:

„Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“ (Genesis 1,28)

So heißt es im ersten Buch Mose. Diese Weltsicht erlaubt dem Menschen seine Herrschaft über die nicht-menschliche Natur auszuüben. Der Mensch sieht sich in seinem Verhältnis zur Natur, als von ihr gespalten und in einer Hierarchie stehend, die ihn als überlegen kennzeichnet.

Die Ökofeministin Ynestra King macht darauf aufmerksam wie die Kategorie des Natürlichen bzw. der Natur als Projektionsfläche zur Kontrolle von Frauen genutzt wird. Dasselbe Prinzip greift jedoch ebenfalls für BIPoC, deren Nähe zur Natur betont wird, um sie als Andere zu kennzeichnen. Dabei werden ihnen u.a. Attribute wie Wildheit, Unberührtheit, Reinheit oder Instinkthaftigkeit attestiert. Die Konstruktion der Anderen legitimiert insbesondere die Herrschaft von weißen Männern gegenüber Frauen und BIPoC, die nach dieser Logik der Kontrolle bedürfen und kultiviert werden müssen. Dieser Ideologie folgend ist auch die rassistische Praxis der Kolonisierung und Versklavung zu verstehen.[15]

Afrozentrische Positionen des Ökowomanismus kritisieren am Ökofeminismus, die Behandlung der Kategorie Frau als homogene Masse. Denn Hierarchien bestehen nicht lediglich zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen Frauen untereinander, beispielsweise aufgrund ihrer Klasse, Herkunft oder Hautfarbe, aber auch zwischen weißen Frauen und BIPoC.[16]

Wird die exorbitante Betroffenheit von BIPoC, wobei weibliche BIPoC eine besonders vulnerable Gruppe darstellen, mitbedacht, so geht es hier radikal ausgedrückt um das pure Überleben. Aus diesem Grund nimmt die Bürgerrechtsbewegung in Amerika der 60er Jahre für Aktivisti*innen, Philosoph*innen und Schriftsteller*innen wie bell hooks, Esther Iverem und Robert Bullard die in den 80er Jahren einsetzende Umweltbewegung der schwarzen Communities vorweg. Dies ist eine logische Schlussfolgerung: denn für Bürgerrechte zu kämpfen, heißt auch für den Rahmen zu kämpfen, in dem diese zum Tragen kommen können.[17]

Was Vertreter*innen des afrozentrischen Ökofeminismus fordern bringt Rileys treffend auf den Punkt:

„However, what we need is not a total disassociation of people from nature, but rather a reformulation of everyone´s relationship to nature by socially reconstructing gender, class, and ethnic roles.“[18]

Zur Überwindung des Natur-Kultur Dualismus wird eine Rückbesinnung auf bestimmte vorkoloniale spirituelle Konzepte wie beispielsweise das aus der westafrikanischen Tradition stammende Nyam vorgeschlagen. Wird die Interdependenz zwischen Menschen untereinander und nicht-menschlichen Natur anerkannt, respektier und wertgeschätzt, so ergibt sich ein grundlegend anders Verständnis von Machtverhältnissen. Macht wird nicht über, sondern mit anderen Kreationsformen ausgeübt.[19]

Der afrozentrische Ökowomanismus adressiert Problematiken der Klimakrise sowie damit einhergehende sozioökonomische Ungleichheiten aus einer konkreten Position heraus. Diese Position weist eine spezifische Betroffenheit auf, die nicht subsumiert werden kann und daher für die eigenen Interessen eintreten muss.

Belege

  1. vgl. Kaijser,Anna; Kronsell, Annica (2014): Climate change through the lens of intersectionality. In: Environmental Politics 23(3), S. 419. Online, zuletzt abgerufen am 06.01.2022.
  2. Davis, Kathy (2008): Intersectionality as Buzzword: A Sociology of Science Perspective on What Makes a Feminist Theory Successful. In: Feminist Theory 9(1), S. 68. Online, zuletzt abgerufen am 12.03.2022.
  3. Kaijser,Anna; Kronsell, Annica (2014): Climate change through the lens of intersectionality. In: Environmental Politics 23(3), S. 417-433. Online, zuletzt abgerufen am 06.01.2022.
  4. vgl. Gaard, Greta (2015): Ecofeminism and climate change. In: Women's Studies International Forum 49(1), S. 27. Online, zuletzt abgerufen am 06.01.2022.
  5. Asmae Ourkiya (2020): Queering Ecofeminism: Towards an Anti-Far-Right Environmentalism. In: NiCHE Canada. Online, zuletzt abgerufen am 18.03.2022.
  6. Gaard Greta (2015): Ecofeminism and climate change. In: Women's Studies International Forum 49(1), S. 27. Online, zuletzt abgerufen am 06.01.2022.
  7. vgl. Gaard, Greta (2015): Ecofeminism and climate change. In: Women's Studies International Forum 49(1), S. 26. Online, zuletzt abgerufen am 06.01.2022.
  8. vgl. Heyes, Cressida (2020): Identity Politics. In: Stanford Encyclopedia of Philosophy. Online, zuletzt abgerufen am 07.01.2022.
  9. vgl. Mikkola, Mari (2022): Feminist Perspectives on Sex and Gender. In: Stanford Encyclopedia of Philosophy. Online, zuletzt abgerufen am 07.01.2022.
  10. vgl. Heyes, Cressida (2020): Identity Politics. In: Stanford Encyclopedia of Philosophy. Online, zuletzt abgerufen am 07.01.2022.
  11. vgl. Kathy Davis (2008): Intersectionality as Buzzword: A Sociology of Science Perspective on What Makes a Feminist Theory Successful. In: Feminist Theory 9(1), S. 78. Online, zuletzt abgerufen am 12.03.2022.
  12. vgl. Heyes, Cressida (2020): Identity Politics. In: Stanford Encyclopedia of Philosophy. Online, zuletzt abgerufen am 07.01.2022.
  13. '. Online, zuletzt abgerufen am 11.03.2022.
  14. vgl. Shamara Shantu Rileys (1996): Ecology Is A Sistah´s Issue Too: The Politics Of Emergent Afrocentric Ecowomanism. In: Roger S. Gottlieb (Hrsg.): This sacred earth: religion,nature, environment, New York: Routledge, S. 349.
  15. vgl. Shamara Shantu Rileys (1996): Ecology Is A Sistah´s Issue Too: The Politics Of Emergent Afrocentric Ecowomanism. In: Roger S. Gottlieb (Hrsg.): This sacred earth: religion,nature, environment, New York: Routledge, S. 348ff..
  16. vgl. Shamara Shantu Rileys (1996): Ecology Is A Sistah´s Issue Too: The Politics Of Emergent Afrocentric Ecowomanism. In: Roger S. Gottlieb (Hrsg.): This sacred earth: religion,nature, environment, New York: Routledge, S. 352.
  17. vgl. Shamara Shantu Rileys (1996): Ecology Is A Sistah´s Issue Too: The Politics Of Emergent Afrocentric Ecowomanism. In: Roger S. Gottlieb (Hrsg.): This sacred earth: religion,nature, environment, New York: Routledge, S. 352f..
  18. vgl. Shamara Shantu Rileys (1996): Ecology Is A Sistah´s Issue Too: The Politics Of Emergent Afrocentric Ecowomanism. In: Roger S. Gottlieb (Hrsg.): This sacred earth: religion,nature, environment, New York: Routledge, S. 348.
  19. vgl. Shamara Shantu Rileys (1996): Ecology Is A Sistah´s Issue Too: The Politics Of Emergent Afrocentric Ecowomanism. In: Roger S. Gottlieb (Hrsg.): This sacred earth: religion,nature, environment, New York: Routledge, S. 357f..



Autor*innen

Im Sommersemester 2024 haben Tuba Nur Ceviz, Zara Ceviz, Jasmin Engler, Melissa Görzen, Sarah Hagelstein, Hannah Kuhlmann, Tim Schade, Johannes Siebert, Felix Thielemann, Sarah Weinfurter und Christina Wiemers an dem Seminar "Die Sprache der Klimawandel: Klima und Campus" (Leitung: Felix Böhm) teilgenommen und damit das Projekt KLICK – Klimacampus Kassel samt seiner Teilprojekte gestaltet und durchgeführt. Auch an der Entstehung dieses Textes waren sie maßgeblich mitbeteiligt. Die Erstfassung dieses Artikels geht auf eine Vielzahl von Textbausteinen der Teilnehmenden zurück, die Felix Böhm zusammentrug und ergänzte. Die Versionsgeschichte gibt daher nicht die gesamte Entstehung des Artikels wieder und listet auch nicht alle beteiligten Autor*innen als User*innen.



Zitiervorlage: Böh, Felix et al. Intersektionalität im Ökofeminismus (2020). In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Intersektionalität im Ökofeminismus, zuletzt abgerufen am 24.11.2024.