Benutzer: Julia Schaberich/Werkstatt
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Die Darstellung von Tieren in Dokumentarfilmen soll die Rezipienten und Rezipientinnen über Realitäten aufklären. Hierbei soll sich an einem Wahrheitsanspruch orientiert werden. Dennoch ist bei einem Dokumentarfilm stets zu klären für wen der Dokumentarfilm produziert wurde und wann er gedreht wurde. Der Wahrheitsgehalt des einzelnen Films ist somit zu hinterfragen und lässt sich nicht grundlegend voraussetzen (vgl. Trautmann, Magali. (2017) Show and Tell: Der narrative Kinodokumentarfilm von 1995–2015, Herbert von Halem Verlag,S.46ff.). Es sollte somit nicht außer Acht gelassen werden, dass auch der nun analysierte Dokumentarfilm und die dargestellte Wirklichkeit Menschengemacht und durch Maschinen aufgezeichnet wurde. Im folgenden soll analysiert werden, welchen Blick der Dokumentarfilm auf Eisbären wirft und welche unterschiede es zu anderen Filmen gibt. Besonders im Fokus steht die Frage, inwiefern der Eisbär als Bedrohung für den Menschen dargestellt wird und der Mensch als Bedrohung für den Eisbären. Unter diesem Aspekt wird untersucht, wie zwei verschiedene Filme dieses Verhältnis darstellen.
Wird der Dokumentarfilm „Der Eisbär: Kampf ums Überleben“ betrachtet, so wird schnell deutlich, dass in bestimmten Sequenzen eine Darstellung des Mensch-Tier-Verhältnisses erfolgt und die Bedrohung des Menschen durch den Eisbären in den Mittelpunkt stellt. Zunächst wird ein Elektrozaun gezeigt (07:55 – 08:05). Wird alleine das Bild betrachtet, so wirkt der Zaun zunächst unscheinbar. Ein weißer Zaun auf weißem Hintergrund, in dem angekettete Hunde und Hundehütten schemenhaft zu erkennen sind (vgl. Sequenzanalyse). Erst durch die Beschreibungen aus dem Off werden der Sinn und die Bedrohung der Eisbären verdeutlicht, wobei diese Beschreibungen durch eine treibende Musik unterstützt wird. Somit wird die Gewalt des Elektrozaunes gegenüber den Eisbären erst durch den Sprechakt deutlich. Direkt in der nachfolgenden Szene wird die Legitimation des Zaunes erweitert. Ein Inuit wird beim Füttern seiner Hunde gezeigt (08:06-08:52). Er hackt rohes gefrorenes Robbenfleisch mit einer Akt. Zur gleichen Zeit erläutert er, dass sich immer mehr Eisbären in den Ort verirren und wiederholt die Hunde angreifen. Werden nur die visuellen Aspekte betrachtet, so wirken die Handlungen kalt, brutal und gewaltig. Durch die Berichterstattung des Inuit wird die Aufmerksamkeit von seinen Handlungen jedoch auf die Angriffe der Eisbären gelenkt. So verbinden sich die kalten und brutalen Bilder mit den Angriffen der Bären. Ergänzend kommen die Geräusche der Axt hinzu. Sobald der Inuit das Fleisch hakt und dabei von den Angriffen der Bären berichtet, heulen und jaulen die Hunde auf. Es wird ein akustischer Reiz mit den Erzählungen verbunden, was die Eisbären bedrohlich wirken lässt. Unterlegt wird diese Szene mit einer unruhigen Musik, die den Rezipient*innen ein nervöses und unbehagliches Gefühl vermittelt. Was beide Szenen verbindet ist, dass visuell keine Eisbären zu sehen sind, obwohl die Bedrohung verdeutlicht und beschrieben wird. Betrachtet man beide Sequenzen ohne Ton, so wird also seitens der Eisbären keine Bedrohung deutlich. Im Gegenteil erscheint auf diese Weise der Fleisch hackende Inuit als brutal wahrgenommen.
Dieser Gegensatz der Bedrohlichkeit zwischen Sprache und Gezeigtem setzt sich im Folgenden fort. Inhalt dieser Szene ist ein Jäger der Inuit, welcher sich auf Eisbärenjagd begibt. Ergänzt wird dieses Bild durch davonlaufende Eisbären (11:56 – 12:08). Auch hier wird zunächst ausschließlich das Bild betrachtet, welches visuell entsteht. Der Mensch sitzt auf einem Felsen, sticht mit seiner blauen leuchtenden Jacke aus der natürlichen Umgebung hervor und lädt eine Schusswaffe. Das Präsentieren der Waffe wirkt brutal, gewalttätig und bedrohlich. Im Anschluss werden zwei Eisbären gezeigt, eine Mutter mit ihrem Kind. Diese Bilder erregen im Rezipient*innen Mitleid gegenüber den Eisbären, welche durch die visuelle Darstellung vom Menschen bedroht werden. Wird nun jedoch die Stimme aus dem Off hinzugezogen (vgl. Sequenzanalyse), so wird der Mensch als bedroht und unterlegen dargestellt. Vor allem durch das Verwenden des Sprichwortes „vom Jäger zum Gejagten werden“, wird der Eisbär als bedrohlich und überlegen dargestellt. Unterstützt wird das Bild des gefährlichen Eisbären durch eine begleitende Musik, die spannungsaufbauend und bedrohlich wirkt. Auch wenn der Mensch den Eisbären jagen will, wird der Eisbär als Bedrohung für den Menschen dargestellt. In dieser Szene steht erneut die Differenz zwischen Bild und Ton und die sich verändernde Bedeutung beider Aspekte, wenn sie in Verbindung gebracht werden, im Fokus.
Die nächste Szene bleibt ebenfalls ohne eine visuelle Darstellung des Eisbären an sich. Ein Forscherteam untersucht das Eis und stellt eine Person als Wachposten ab. Diese steht in einer weißen Umgebung mit einer Warnweste und sticht deutlich aus der Natur hervor. Auf dem Boden neben der Person liegt eine Waffe, ergänzend besitzt die Person ein Fernglas und eine Schreckschusspistole. Der Forscher auf dem Wachposten wirkt in der weißen Umgebung verloren und ist ohne Kontext scheinbar grundlos bewaffnet. Optisch wirkt diese Szene wie ein Eingriff des Menschen in die Natur. Durch die Warnweste sticht der Forscher hervor und wirkt fehl am Platz. Die Bedrohung, welche von dieser Situation von den Eisbären ausgeht, wird erst durch den Einbezug des Berichtes eines Forschers deutlich (vgl. Sequenzanalyse). Die Rezipient*innen erfahren, dass der Forscher eine Eisbärenwache darstellt, welche auch sprachlich so betitelt wird. Die unruhige, fordernde und zugleich spannungsaufbauende Musik erweckt ein Gefühl der ständigen Bedrohung und lässt die Eisbärenwache in unmittelbarer Gefahr schweben. Bezieht man beide Darstellungsformen aufeinander, so wird deutlich das das Bild alleine den Eisbären nicht als bedrohlich darstellt, sondern der Mensch beim Eindringen in die Natur beobachtet wird. Erst durch Einbezug des Tons wird ein Gefühl der Bedrohung erzeugt und der Eisbär unter diesem Aspekt als bedrohlich betitelt.
Die letzte Szene, welche den Eisbär als Bedrohung des Menschen darstellt, ist als filmischer Beweis der Dokumentation zu betrachten. Es werden Eisbären gezeigt, die in die Dörfer der Menschen eindringen und Gegenstände zerstören. Es wird deutlich, dass der Eisbär hier die Lebenswelt des Menschen einzudringen scheint. Zieht man den Ton hinzu, so wird dieser Eindruck verstärkt (vgl. Sequenzanalyse). Eisbären werden als „geschickte und allesfressende Raubtiere“ bezeichnet, welche auch „einen Menschen töten und fressen“ würden. Belegt werden diese Aussagen mit drei Jahreszahlen, welche sich auf Kanada beziehen, und Angriffe von Eisbären auf Menschen belegen. Ergänzt durch dramatische, traurige und tragische Filmmusik wird der Eindruck des bedrohlichen Eisbären abgerundet.
Der Dokumentarfilm „Der Eisbär: Kampf ums Überleben“ stellt den Eisbären somit als Bedrohung des Menschen dar. Die Bären greifen die Hunde der Inuit an, dringen in die Dörfer vor, plündern Müllhalden und selbst wenn sie gejagt werden, bedrohen sie die Jäger. Die visuellen Darstellungen alleine Stellen den Bären hingegen selten als bedrohlich dar. Erst der Einbezug des Tons führt zu einer brutalen, gewalttätigen Darstellung des Eisbären.