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Postkoloniale Narratologie – Der Versuch einer Zusammenfassung

In diesem Artikel erfahren Sie mehr über grundlegende Ideen zu postkolonialen Theorien und einer postkolonialen Narratologie.

Postkoloniale Theorien – gegen Kontinuitäten der Ausbeutung und Unterdrückung

Die Postcolonial Studies entstanden Ende der 1970er Jahre in der Anglistik und zielen auf die Betrachtung der heterogenen Auswirkungen des Kolonialismus sowohl in den (ehemaligen) Kolonien (Peripherie), als auch in den Zentren (also den Imperialmächten und den kolonialen Metropolen) ab. Die akademische Auseinandersetzung debattiert gegen eurozentristische Betrachtungen und möchte einen Beitrag zum Empowerment Unterdrückter leisten. [1] Im Folgenden soll kurz auf vier kanonische Theoretiker*innen eingegangen werden.

Frantz Fanon gilt als einer der Vordenker*innen der postkolonialen Theorien. In seinem Werk „Weiße Haut schwarze Masken“ (1952) analysiert der Psychiater die Prozesse der Dominanz und Rassifizierung in ehemaligen Kolonien, die bis weit nach der Unabhängigkeit nachwirken. Die Welt werde von „Weißen“ gemacht, den „Schwarzen“ bliebe nur die Imitation, während sie jedoch aufgrund ihrer Hautfarbe immer ‚das Andere‘ darstellten. Im Gegensatz zu vielen anderen Theoretiker*innen und Aktivist*innen seiner Zeit setzt er auf eine antiessentialistische Zukunftsvision statt auf die Rückeroberung der ‚Heimat‘. [2]

Edward Said als kanonischer Denker der postkolonialen Studien geht vom Diskursbegriff Foucaults aus. Ihm zufolge kann die Betrachtung einer Kultur niemals von einem neutralen Punkt ausgehen. Stattdessen sieht das Zentrum die Kolonie als Spiegel, der im kolonialen Diskurs charakterisiert und strukturiert wird. In Saids Forschungszusammenhang wird also im orientalistischen Diskurs der Orient identifiziert und erst zum Subjekt erfunden, das es nicht gibt, sondern lediglich eine Projektion des globalen Nordens darstellt. Im Fokus von Saids Diskursanalysen steht die Untersuchung des Gesagten, der Sprechenden (Wer darf sprechen?) und den Diskursregeln (Was darf gesagt werden?). Das koloniale Subjekt wird dafür aus der Opposition oder Differenz zum globalen Norden qualifiziert. [3]

Ein weiterer postkolonialer Denker ist Homi K. Bhabha. Im Gegensatz zu Said sieht er den postkolonialen Diskurs als vielstimmiger und vielschichtiger und als in seinen ‚Identitäten‘ widersprüchlich an. Damit folgt er eher Jacques Derrida und der Psychoanalyse. Laut Bhabha ist jede noch so starke Macht im Innersten verunsichert und fürchtet das Aufbegehren der Unterdrückten. Der postkoloniale Diskurs brauche Stabilität, die er über die Fixierung ‚des Anderen‘ zu erreichen versuche. Doch die diskursive Vormachtstellung müsse stets narrativ reproduziert werden, um erhalten werden zu können. Bhabhas Ziel ist es, zu verstehen, wie Stereotype funktionieren, was ihre Effizienz ausmacht, welche Rolle Subjektformationen dabei spielen und welche psychologischen Folgen sie für beide Seiten des kolonialen Diskurses hat. [4] Für Bhabhas Theoriegebäude werden die Konzepte „Hybridität“ (Bhabha 2012) und der „dritte Raum“ (Bhabha 2000) zentral. Hybride Kulturen beschreibt er mit der Metapher des Eintopfs, der zwar gemischt ist, dessen Bestandteile jedoch einzeln erkennbar bleiben. Der „dritte Raum“ beschreibt einen Verhandlungsraum zwischen Spannung und Konsensfähigkeit. Bhabhas Konzepte lassen Reibungen zu und zielen nicht auf eine friedliche Utopie ab, sondern gehen stattdessen realistisch auf die Mischung und den Widerstand von kulturellen Subjekten und Kollektiven gegenüber der hegemonialen Kultur ein (vgl. Nandi 2009, S. 29–30).


Buen Vivir – Das "Gute Leben" in Ecuador

So lautet der Beginn der Präambel der ecuadorianischen Verfassung von 2008, in der das Buen Vivir oder Sumak Kawsay (dt. „Gutes Leben“) einen prominenten Platz erhält. Grundsätzlich basiert dieses Konzept auf dem Respekt gegenüber der Natur sowie der Gemeinschaft, weshalb es im weltweiten Diskurs über Nachhaltigkeit verortet werden kann. Dieser kurze Einführungsartikel soll eine erste Orientierung im Themenfeld um Gutes Leben, Nachhaltigkeit und Transformation im ecuadorianischen Kontext ermöglichen.


Extraktivismus, Entwicklung, Nachhaltigkeit!?

Bei der Betrachtung der aktuellen wirtschaftlichen Situation Lateinamerikas fällt auf, dass die Region immer noch mit ihrem kolonialen Erbe konfrontiert ist. Dies zeigt sich sowohl durch den vorherrschenden westlichen Wissenschaftsbegriff wie auch durch die ausbeuterischen Wirtschaftsbeziehungen zum Globalen Norden. Aus dem jahrhundertelangen Handel mit Primärgütern gehen aber auch soziale Ungleichheit, Korruption, Autoritarismus und Extraktivismus (Ressourcenförderung als Wirtschaftsprinzip) hervor. [5]

Die „Ideologie der Entwicklung“ [6] wurde bereits früh in Lateinamerika kritisiert. Ab den 1960er Jahren prägten zwei theoretische Strömungen die Kritik am Entwicklungsbegriff in Südamerika maßgeblich: der Strukturalismus und die Dependenztheorie. Der Strukturalismus, zeigte die heterogene Zusammensetzung der lateinamerikanischen Wirtschaften auf, deren Sektoren teilweise fortschrittlich und teilweise veraltet waren. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass der Fokus auf dem Export weniger Primärgüter lag, was zu einer asymmetrischen Entwicklungskonstellation mit ‚modernen‘ Staaten führe. Prebisch, als führender Theoretiker dieser Strömung, schlug als Gegenmaßnahme eine Stärkung der Binnenwirtschaft und die Hinterfragung des Entwicklungsbegriffs vor [7]. Die andere wichtige theoretische Strömung im kritischen Entwicklungsdiskurs ist die Dependenztheorie, die den Status der ‚Unterentwicklung‘ nicht als Phase, sondern als Ergebnis von ‚Entwicklung‘ durch imperialistischen Handelsbeziehungen mit ‚entwickelten Ländern‘ begreift [8]. Zeitgleich zu diesen theoretischen Debatten in Lateinamerika formierten sich in den 1970er Jahren weltweit Bewegungen der ökologischen Kritik, die, wie im Falle der von der CEPAL (Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik) formulierten „Erklärung von Cocoyoc“ (1974), verschiedene Wege zur Entwicklung aufzeigten, deren Parameter nicht nur aus Wirtschaftlichkeit, sondern auch aus sozialer Umverteilung und der Befriedigung der Grundbedürfnisse bestehen [9].

Belege

  1. Vgl. Miriam Nandi (2009): Gayatri Chakravorty Spivak. Eine interkulturelle Einführung. Nordhausen: Verlag Bautz, S. 17-18.
  2. Vgl. Frantz Fanon (1952): Peau noire masques blancs. Paris: Les Éditions du Seuil (Esprit), S. 25-27.
  3. Vgl. Miriam Nandi (2009): Gayatri Chakravorty Spivak. Eine interkulturelle Einführung. Nordhausen: Verlag Bautz, S. 19-20.
  4. Vgl. Miriam Nandi (2009): Gayatri Chakravorty Spivak. Eine interkulturelle Einführung. Nordhausen: Verlag Bautz, S. 28-29.
  5. Hans-Jürgen Burchardt (2016): Zeitenwende? Lateinamerikas neue Krisen und Chancen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte
  6. Eduardo Gudynas (o. J.): Debates sobre el desarrollo y sus alternativas en América Latina: Una breve guía heterodoxa. In: Rosa Luxemburg Stiftung Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung E.V. (Hrsg.): Más Allá Del Desarrollo, Mexiko: .
  7. Eduardo Gudynas (o. J.): Debates sobre el desarrollo y sus alternativas en América Latina: Una breve guía heterodoxa. In: Rosa Luxemburg Stiftung Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung E.V. (Hrsg.): Más Allá Del Desarrollo, Mexiko: , S. 23-24.
  8. Eduardo Gudynas (o. J.): Debates sobre el desarrollo y sus alternativas en América Latina: Una breve guía heterodoxa. In: Rosa Luxemburg Stiftung Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung E.V. (Hrsg.): Más Allá Del Desarrollo, Mexiko: , S. 24-25.
  9. Eduardo Gudynas (o. J.): Debates sobre el desarrollo y sus alternativas en América Latina: Una breve guía heterodoxa. In: Rosa Luxemburg Stiftung Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung E.V. (Hrsg.): Más Allá Del Desarrollo, Mexiko: , S. 27-28.