Intersektionalität im Ökofeminismus

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Intersektionalität im Ökofeminismus

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Andra - Einführung in die Begriffe Ökofeminismus, Essenzialismus und Intersektionalität

Ökofeminismus entstand Mitte der 1970er Jahre. Angesichts der Zunahme von Umweltkatastrophen wurde in ökofeministischen Theorien die Frage nach der Verbindung zwischen der Dominanz und Ausbeutung von Natur sowie der Dominanz und Ausbeutung von Frauen adressiert. Der Ökofeminismus ist somit eine Strömung innerhalb der Umweltphilosophie, die feministische Perspektiven zur Analyse von Machtverhältnissen und zur Lösung umweltbezogener Problematiken für unerlässlich hält. Je nach Ausprägung kann der Ökofeminismus Schwerpunkte anderer Strömungen wie beispielsweise der Tierethik oder dem Postkolonialismus aufgreifen und behandeln. Nicht alle Positionen innerhalb des Ökofeminismus sind miteinander vereinbar. Zum Beispiel besteht eine Diskrepanz zwischen essentialistischen und intersektionalen Positionen.

Innerhalb feministischer Theorien bedeutet Essentialismus, dass von einer Essenz des Weiblichen bzw. Männlichen ausgegangen wird. Diese wird den Geschlechtern insbesondere anhand von biologischen Merkmalen in antagonistischer Manier zugeschrieben. Sie setzen damit die Subjekte Mann und Frau fest und haben erhebliche Schwierigkeiten, Abweichungen und Überlappungen zwischen den Geschlechtern erklären zu können.

Janet Biehl geht so weit, dass sie der gesamten ökofeministischen Strömung vorwirft, die Begriffe Frau und Natur ahistorisch im Sinne einer ihnen innewohnenden Essenz zu gebrauchen. Tatsächlich weisen einige Positionen wie die von Brian Swimme, Kay Salleh oder Vandana Shiva essentialistische und/oder generalisierende Charakteristika in ihrem Argumentationsgang auf und bedürfen entsprechend der Kritik. Zu behaupten, dies würde auf die gesamte Strömung zutreffen, ist jedoch nicht minder eine vereinfachende und generalisierende Auffassung.

Der folgende Artikel legt besonderen Augenmerk auf diejenigen Positionen, die den Essentialismus zugunsten einer intersektionalen Perspektive ablehnen.

Nele - Statistiken, Warum wir eine Feministische Perspektive auf die Klimakrise brauchen

Die Notwendigkeit einer feministischen Perspektive auf die Klimakrise wird deutlich durch Statistiken zur Gefährdung verschiedener Personengruppen bei Umweltdesastern. So sind Frauen und andere marginalisiert Gruppen am meisten von Klimaveränderungen betroffen {"women and children are 14 times more likely to die in ecological disasters than men" Gaard, S.10 + Beispiel Hurrikane Katrina). Intersektionale Ökofeminist*innen wie Gaard stellen dabei heraus, dass diese Verletzlichkeit von Frauen nicht angeboren ist, sondern ein Resultat von Ungleichheit ist, die durch gegenderte soziale Normen, Diskriminierung und Armut ("inequities produced through gendered social roles, discrimination, and poverty" Gaard, S.9) entsteht. Weitere Faktoren der Gefährdung von Frauen sind "residence on marginal land susceptible to subsidence, erosion, or flooding; precarious or informal employment; increasing exposure to waterborne and vector-borne disease" (Allison, p.152) [Die Konstruktion dieses Phänomens der "gendered vulnerability" zu entlarven und aufzulösen fällt in das Aufgabenfeld des intersektionalen Ökofeminismus.]

Trotz ihrer Verletzlichkeit sind Frauen und andere marginalisierte Gruppen unterrepräsentiert “at all levels of decision making regarding climate change” (Kaijser & Kronsel, p.418).

Ein weiterer Aspekt, der die Notwendigkeit einer feministischen Perspektive auf die Klimakrise verdeutlicht, ist die Tatsache, dass aktuelle Ansätze unzureichend sind. Der Mangel einer gender-sensitiven Betrachtung und Diskussion der Klimakrise führt dazu, dass diese hauptsächlich aus einer rein wissenschaftlichen Perspektive analysiert wird, welche technologische und wissenschaftliche Lösungen befürwortet (-> inwiefern ermöglicht eine feministische Perspektive ein ideologisches Umdenken?). Dieses Primat technischer Lösungsansätze verzerrt die eigentlichen Ursachen der Klimakrise, welche in Ausbeutungs- und Unterdrückungsstrukturen liegen. Gleichzeitig werden so Daten und Perspektiven ausgeschlossen, die zum Abwenden der Klimakrise beitragen können (Gaard, S.13), während stattdessen antifeministischen Lösungsansätzen wie Populationskontrolle, Militarisierung und Anti-Immigrationsmaßnahmen Tür und Tor geöffnet wird (Gaard, S.14). Der maskulinistische Charakter der Analyse der Klimakrise ("masculinist character of climate change analyses", Gaard, S.25) lässt sich einerseits durch die hauptsächliche Teilnahme von Männern in politischen Entscheidungsprozessen (Statistik noch einsetzen) zurückführen, andererseits steckt dahinter auch die dualistische Trennung von Natur und Verstand (-> warum ist technisches Wissen männlich kodiert?).

Johanna - Intersektionalität und Geschlechtergerechtigkeit

In Beziehungen auf allen Ebenen finden sich Überschneidungen von Macht, dabei bilden soziale Kategorisierungen bzw. ihre Kombination die Basis zur Ein- und Ausgrenzung. So wird z. B. Erstrebenswertes, Attraktives, Abweichendes und als normal Geltendes definiert und in Individuelle Handlungen und der institutionellen Praxis vorgefunden. Zu Grunde gelegt werden dafür implizite Machtmuster. Dargestellt werden diese Machtstrukturen häufig als natürliche Unterschiede und müssen nicht konkret genannt werden.[1] Auch im Fall vom Geschlecht als System handelt es sich um solche implizten Machtstrukturen, welche mithilfe von Intersektionalität hinterfragt werden können.

Kaijser&Kronsell formulieren als das Ziel einer intersektionalen Analalyse die Perspektive zu erweitern und darüber nachzudenken, welche Faktoren in einem bestimmten Umfeld relevant sein könnten ohne dabei das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren.[2] In sofern geht die intersektionelle Analyse darüber hinaus z. B. die hier besprochenen Geschlechterverhältnisse zu kritisieren. Entscheidend ist es, zu berücksichtigen, wie soziale Kategorien ausgehandelt und konstruiert werden und auf welche Weise sie sich unterscheiden. Nicht nur das Subjekt ist situiert, sondern auch das Wissen.


„These explorations of queer feminist ecology can augment the slogan of the Gender & Climate Change Network (genderCC): There will be no climate justice without [queer] gender justice.”[3]

Klimakriese und Geschlecht sind miteinander verwoben, jedoch gibt es bisher wenige Studien die eine ökologische Queer-Perspektive berücksichtigen. Angesichts der Korrelation und gegenseitigen Verstärkung von Sexismus und Homophobie können die Standpunkte von Frauen und LGBTQIA+ Individuen zum Klimawandel verglichen werden.[4]

Im Fall der Klimakrise ist ein umfangreicher Wandel erforderlich um Genderdiversität und ein ausgewogenes Verhältnis der Geschlechter auf allen Ebenen der Entscheidungsfindung zu erreichen. Dies ist jedoch keine automatische Garantie für eine geschlechtergerechte Klimapolitik. Um die Machtverhältnisse in der Klimapolitik in Bezug auf Geschlecht sichtbar zu machen ist es notwendig, dass Menschen die bereit sind ihre Geschlechterrollen in Frage zu stellen die verschiedenen Klimaschutzstrategien hinterfragen.[5]

Johanna - Kritik an Intersektionalität

Kritik an Intersektionalität richtet sich oftmals gegen die Identitätskategorien, welche die Intersektionale Analyse als Werkzeug nutzt. Die Frage wie Gruppenidentitäten verstanden werden sollen ist also auch für Intersektionalität relevant, insofern es darum geht wie mit ihnen verfahren werden soll. (https://plato.stanford.edu/entries/identity-politics/#PhilIden) [ODER] Da diesen Zugehörigkeiten genutzt werden um Diskriminierung zu identifizieren treffen einige der Vorwürfe von dem was allgemein als Identitätspolitik bezeichnet wird auch intersektionale Ansätze. [ Entscheidend für Identität ist die Erfahrung des Subjekts, insbesondere die Erfahrung innerhalb sozialer Strukturen, die Ungerechtigkeit erzeugen. Des Weiteren spiel die Möglichkeit einer gemeinsamen und authentischeren oder selbstbestimmten Alternative eine große Rolle. Dieses Identitätsverständnis wird für seine Intransparenz der Erfahrungen kritisiert. Des weiteren ist Erfahrung nie vor Interpretation und immer schon mit einen bedeutungsschaffendem Rahmen wie z.B. den ungleichen Herrschaftsverhältnissen. ] Ein starker Fokus auf die Erfahrung von Subjekten in der intersektionalen Analyse kann zu Essenzialismus und Homogenisierung von Gruppen (z. B. nur eine Erfahrung wie es ist Frau zu sein) führen. Dieser gefährdet die kritische Haltung der Analyse, weil so Identitäten als feststehend und unveränderlich betrachtet werden. [KEINE AHNUNG MEHR VOHER ICH DIESE ERSTEN BEIDEN SÄTZE HABE - NEUSCHREIBEN FINDE DIE QUELLE NICHT!] Dabei sind diese historisch gewachsen, veränderlich und beispielsweise bei der Begriffsgeschichte von >Rasse< durch Kolonialismus, Gewalt und Sklaverei geprägt. Diese Hintergründe gilt es für alle Identitätskategorien zu beachten und bewusst zu halten. [JA IM SINNE VON DEM WIE WIR DAS IM VORTRAG VON JONATHAN MCKINNEY GEHÖRT HABEN] Wird die intersektionale Methode kritisch genutzt, kann dies mitreflektiert werden und die Kritik zurückgewiesen werden. Denn die Grundannahme: >Rasse ist sozial konstruiert< , ist noch kein Hinweis auf eine bestimmte Identitätspolitik.

Andra - Was kann der Ökofeminismus vom afrozentrischen Ökowomanismus lernen?

Wie andere afrozentrische Perspektiven auch, kann der afrozentrische Ökowomanismus als ein der eurozentristischen Perspektive entgegengesetzter Standpunkt betrachtet werden. Afrozentrische Ansätze können demnach als Selbstermächtigung in einem europäisch dominierten Diskurs um Deutungshoheit verstanden werden. Der Fokus afrozentrischer Ansätze liegt auf die pan-afrikanische Kultur, Philosophie und Geschichte. Der Womanismus legt großen Wert auf die Perspektive von BIPoC, die im Feminismus oftmals zu kurz kommt.Der afrozentrische Ökowomanismus sollte demnach nicht unter dem Begriff Ökofeminismus subsumiert werden, sondern vielmehr als eine Denkweise verstanden werden, von der der Ökofeminismus lernen kann.

In Shamara Shantu Rileys Artikel „Ecology Is A Sistah´s Issue Too: The Politics Of Emergent Afrocentric Ecowomanism“ beschreibt die Autorin den afrozentrischen Ökowomanismus als klare Position gegen die eurozentrisch maskulinistische Ideologie der Dominanz, aus der sich der Natur-Kultur Dualismus entwickelt hat. Bezugnehmend auf die Anthropologin und Afrikawissenschaftlerin Marimba Ani wird der Dualismus als Erbe des Juden- und Christentums angesehen (vgl. S. 349):

»Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.« (Genesis 1,28)

So heißt es im ersten Buch Mose. Diese Weltsicht erlaubt dem Menschen seine Herrschaft über die nicht-menschliche Natur auszuüben. Der Mensch sieht sich in seinem Verhältnis zur Natur, als von ihr gespalten und in einer Hierarchie stehend, die ihn als überlegen kennzeichnet.

Die Ökofeministin Ynestra King macht darauf aufmerksam wie die Kategorie des Natürlichen bzw. der Natur als Projektionsfläche zur Kontrolle von Frauen genutzt wird. Dasselbe Prinzip greift jedoch ebenfalls für BIPoC, deren Nähe zur Natur betont wird, um sie als Andere zu kennzeichnen. Dabei werden ihnen u.a. Attribute wie Wildheit, Unberührtheit, Reinheit oder Instinkthaftigkeit attestiert. Die Konstruktion der Anderen legitimiert insbesondere die Herrschaft von weißen Männern gegenüber Frauen und BIPoC, die nach dieser Logik der Kontrolle bedürfen und kultiviert werden müssen. (vgl. S. 348ff.) Eine Besonderheit hierbei, die im Ökofeminismus oftmals übersehen wird, ist, dass die Kategorie Frau nicht als homogene Masse betrachtet werden kann. Hierarchien bestehen nicht lediglich zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen Frauen untereinander, beispielsweise aufgrund ihrer Klasse, Herkunft oder Hautfarbe, aber auch zwischen weißen Frauen und BIPoC im Generellen. (vgl. S. 352)

Wird die exorbitante Betroffenheit von BIPoC, wobei weibliche BIPoC eine besonders vulnerable Gruppe darstellen, mitbedacht, so geht es hier radikal ausgedrückt um das pure Überleben. Aus diesem Grund impliziert für Aktivist*innen, Philosoph*innen und Schriftsteller*innen wie bell hooks, Esther Iverem und Robert Bullard die Bürgerrechtsbewegung in Amerika der 60er Jahre die in den 80er Jahren einsetzende Umweltbewegung der schwarzen Communities. Dies ist eine logische Schlussfolgerung: denn für Bürgerrechte zu kämpfen, heißt auch für den Rahmen zu kämpfen, in dem diese zum Tragen kommen können. (vgl. S. 352f.)

Belege

  1. vgl. Anna Kaijser, Annica Kronsell (2014): Climate change through the lens of intersectionality. In: Environmental Politics 23(3), S. 419. Online, zuletzt abgerufen am 06.01.2022.
  2. Anna Kaijser, Annica Kronsell (2014): Climate change through the lens of intersectionality. In: Environmental Politics 23(3), S. 417-433. Online, zuletzt abgerufen am 06.01.2022.
  3. Greta Gaard (2015): Ecofeminism and climate change. In: Women's Studies International Forum 49(1), S. 27. Online, zuletzt abgerufen am 06.01.2022.
  4. vgl. Greta Gaard (2015): Ecofeminism and climate change. In: Women's Studies International Forum 49(1), S. 27. Online, zuletzt abgerufen am 06.01.2022.
  5. vgl. Greta Gaard (2015): Ecofeminism and climate change. In: Women's Studies International Forum 49(1), S. 26. Online, zuletzt abgerufen am 06.01.2022.

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Im Sommersemester 2024 haben Tuba Nur Ceviz, Zara Ceviz, Jasmin Engler, Melissa Görzen, Sarah Hagelstein, Hannah Kuhlmann, Tim Schade, Johannes Siebert, Felix Thielemann, Sarah Weinfurter und Christina Wiemers an dem Seminar "Die Sprache der Klimawandel: Klima und Campus" (Leitung: Felix Böhm) teilgenommen und damit das Projekt KLICK – Klimacampus Kassel samt seiner Teilprojekte gestaltet und durchgeführt. Auch an der Entstehung dieses Textes waren sie maßgeblich mitbeteiligt. Die Erstfassung dieses Artikels geht auf eine Vielzahl von Textbausteinen der Teilnehmenden zurück, die Felix Böhm zusammentrug und ergänzte. Die Versionsgeschichte gibt daher nicht die gesamte Entstehung des Artikels wieder und listet auch nicht alle beteiligten Autor*innen als User*innen.



Zitiervorlage: Böh, Felix et al. Intersektionalität im Ökofeminismus (2020). In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Intersektionalität im Ökofeminismus, zuletzt abgerufen am 25.11.2024.