Benutzer: Leon Gieselmann/Werkstatt
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Einleitung
Kann der Roman Milchzähne, als Umweltliteratur gesehen werden? Dieser Frage geht die folgende Analyse nach. Dabei werden zuerst die Umweltsymbole: Landschaft, Pflanzen und Tiere sowie Wetter, in den Blick genommen, welche in Milchzähne sehr präsent sind. Anschließend werden die Motive und Topoi Meer, Haus und Garten als auch Wald, herausgearbeitet und dann die Gegensatzpaare Global-Lokal, Utopie-Dystopie und Mensch-Natur in den Blick genommen. Zum Schluss wird sich den Merkmalen der Klimaliteratur angenommen und auch diese abschließend in Milchzähne betrachtet.
Umweltsymbole
Landschaft
Die Landschaft, in der Skalde und ihre Mutter leben, wirkt dürr, ertragsarm, trocken und karg. Sie wird lediglich als die Gegend tituliert. Früher sah die Landschaft jedoch anders aus. Len und Gösta haben die Veränderung durch die Klimaerwärmung mitverfolgen können. Damals war die Landschaft immer kalt, regnerisch und nebelig. „Kein Haus besaß Gardinen, und die Autos fuhren am Tag mit eingeschalteten Scheinwerfern. Wir hatten uns eingerichtet in diesem Leben, hatten Häuser und Höfe. Schon damals versorgten wir uns selbst.“ [1] Doch dann kamen kranke Tiere über eine Brücke in die Gegend und deswegen wurde die Brücke gesprengt, sodass auch niemand mehr die Gegend verlassen kann. „Die ganze Landschaft begann in der Hitze zu flimmern.“ [2] Nachdem sich das Wetter und das Pflanzen- und Tierverhalten verändert hatte, mussten sich die Bewohner*innen der Gegend anpassen. „Wir legten Vorräte an, pumpten den Tankstellen das Benzin ab, statteten uns mit Fliegenklatschen aus, hängten gelb schimmernde Klebestreifen an unsere Lampen, auf denen die Insekten nach und nach verendeten, in ihrem Sterben vollkommen ausgestellt. Aus dem ständig blühenden Holunder kochten wir Sirup. Literweise. Bald hatten alle Häuser einen schier endlosen Vorrat. Wasser tranken wir nur noch gesüßt. Schließlich hatten wir uns, soweit es eben ging, in der neuen Situation eingerichtet. Wir haben noch Glück gehabt. Die Böden werfen noch immer einen kleinen Ertrag ab. Die Kaninchen und Hühner haben das große Sterben der Tiere überlebt. Auch mit der Hitze können wir uns arrangieren. Wir sind genügsam, so können wir ein einfaches Leben führen.“ [3] Durch die Klimaerwärmung flohen oder starben sämtliche Tiere, weswegen die Landschaft ebenfalls als still beschrieben wird[4].
Tiere
Der Roman beschreibt die Veränderungen der Lebensrhythmen der Tier- und Pflanzenwelt.
Tiere müssen lernen in der neuen Umgebung zu überleben und sich anzupassen. Die Lösung ist Evolution; der Klimawandel verändert das Aussehen der Tiere. Skalde und Edith beobachten dieses Phänomen bei ihrer eigenen Kaninchenzucht im Garten. Die Protagonistin beschreibt die Veränderungen der Tiere wie folgt: „Seit es immer wärmer wurde, begann sich die Fellfarbe der Kaninchen zu verändern. Jeder neue Wurf war heller als der vorige, bis sie alle weiß waren, wie Schnee. Sie hatten rote Augen und waren weniger widerstandsfähig. ALBINOTIERE, nannte Edith sie."[5] Die weiße Farbe reflektiert das Sonnenlicht, sodass sich der Körper nicht übermäßig aufheizen kann. Edith weist große Angst gegenüber dieser Veränderung auf und tötet am Ende jedes eigen gezüchtete Kaninchen. Selbst der Pelz der Tiere wird nicht wiederverwertet. „Nie vergessen werde ich, wie das Fell auf dem Kompost verrottet ist, die Fliegen und den Geruch, denn Edith weigerte sich, die weißen Felle zu verwenden. „Die Farbe kann nichts Gutes bedeuten“, sagte sie.“ [6] „Auch andere Tierarten verloren ihre Farbe. Plötzlich gab es nur noch weiße Hühner, weiße Pferde. Auch ein paar Hunde, wie gekalkt. Im Wald tauchte ein weißer Fuchs auf. Zeitgleich verschwanden die heimischen Tiere. Mehrere Jahre hintereinander baute ich Nistkästchen und hängte sie auf, doch sie blieben jedes Mal leer.“ [7] Die Möwen spielen eine tragende Rolle in dem Roman. „An manchen Tagen kam es so vor, dass Möwen aus dem Himmel stürzten. Das Gefieder wie angekohlt, oft mit entzündeten Stellen am Bauch oder an den Gelenken der Flügel.“ [8]Die Vögel beweisen Skalde, dass ein Überleben in der Gegend bei den steigenden Temperaturen nicht möglich ist. Wegen dieser Erkenntnis entscheidet sich Skalde, ihre Heimat zu verlassen[9].
Pflanzen
Die Pflanzen symbolisieren die sich ausbreitende Dürre und somit die unfruchtbare Landschaft. Da das Züchten von Pflanzen das Überleben der Bewohner*innen garantiert, hat das Austrocknen der Böden fatale Folgen. Edith und Skalde stellen Dünger aus Brenneseln (Unkraut) her. „Damit die Pflanzen die anhaltende Hitze vertrugen, düngte ich sie täglich. Der Ertrag war überschaubar. Dreimal im Jahr sammelte ich die Kartoffeln aus dem ausgedörrten Boden und legte sie im Keller in Holzkisten, grub das Feld um und setzte neue Saatkartoffeln.“ [10]Skalde beobachtet die Veränderung der Landschaft. „Während unserer Streifzüge fiel mir auf, dass alles noch trockener geworden war. Die Wiesen und brachliegenden Felder erinnerten mich an die Beschreibungen von Steppen, die Edith mir früher einmal vorgelesen hatte. Das gelbbraune Gras, die fast blattlosen Büsche und Bäume. Scharfkantig schnitten ihre Äste in den blauen Himmel. Dann wieder ganze Heckenzüge, die blühten. Schon von weitem rochen wir sie. Die Idylle hatte etwas Brutales. Der Geruch drückte sich gegen meine Stirn und ließ mich schwindeln. Auch kam mir die Landschaft stiller vor. Die Luft stand unbewegt. Das vibrierende Zirpen der Insekten schien in die Wiesen gesickert zu sein.“ [11]"Ich legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Zweige. Die Blüten waren vertrocknet. In den nächsten Tagen würden sie abfallen. Pflaumen würde es wieder keine geben.“ [12] „Links und rechts standen Kastanienbäume, die Blätter braun und trocken. In der Hand würden sie sofort zu Staub zerfallen. Das Sonnenlicht warf ihre Schatten als Muster auf den Asphalt.“ [13]
Wetter
Nicht nur die Bewohner*innen können die Veränderung des Wetters in dem Roman mitverfolgen, sondern auch der*die Leser*in. Len und Gösta, ältere Bewohnerinnen der Gegend, beobachten ihr ganzes Leben die Klimaveränderungen und beschreiben diese wie folgt: Früher lag die Gegend im Nebel, die Temperatur stieg nie über 20°C und jede Nacht konnten die Bewohner*innen dem Regen zuhören. Im Winter waren die Dächer und die Pflanzen mit Raureif bedeckt und aus dem Himmel fiel Schnee. Jetzt fällt nachts das Schlafen zunehmend schwerer, da die drückende Hitze jegliche Bewegungsform einschränkt[14]. Auch Skalde beobachtet dieses Phänomen und erkennt, dass die Leute sich nur in der Hitze in Zeitlupe bewegen können[15].
Skalde lernt den Frost, den Nebel und den Regen ebenfalls noch kennen: „Ich zog meinen Regenmantel an und ging in den Garten. Durch den Nebel war das Licht milchig. Die Feuchtigkeit legte sich als dünner Film auf meine Haut.“ [16] „Nachts wurde es so kalt, dass das Wasser in der Regentonne gefror.“ [17]Doch das Wetter änderte sich schnell, Skalde fürchtete sich vor dieser Unbekannten. „Am nächsten Morgen füllte eine gleißende Helligkeit mein Zimmer […] Durch das Fenster blickte ich hinaus und erschrak. Blau war der Himmel über der Landschaft. Keine Wolke war zu sehen, nur die Sonne stand über dem Haus. Es war das erste Mal, dass nicht alles vom Nebel verhangen war.“ [18] Der Nebel wurde mit der Zeit immer lichter. „Erst gab es ein paar Tage mit einem wolkenlosen Himmel. Dann Wochen, Monate. Der Nebel verlor an Dichte. Er franste aus und hing nur noch am frühen Morgen und Abend in den Wiesen.“ [19] Nicht nur die Witterungen änderten sich, sondern auch die Temperatur, welche von Tag zu Tag steigt. Skalde und Meisis mussten sich den neuen klimatischen Bedingungen anpassen. „In […] frühen Stunden war es draußen noch auszuhalten. Wir rasten kaum und waren in ständiger Bewegung. Wenn es am Vormittag so heiß wurde, dass der Teer auf der Straße schmolz, lagen wir nur noch im Schatten.“ [20] "Kurz bevor die Sonne am höchsten Punkt stand, gingen wir wieder ins Haus.“ [21]Wenn die Dämmerung einbricht, konnten die beiden Mädchen wieder in den Garten hinausgehen, um die Beete zu wässern. „Der Geruch der nassen Erde erinnerte mich an die Zeit des Nebels.“ [22]Alle Bewohner*innen der Gegend kämpfen um das Überleben in der Hitze und wünschen sich die damaligen Bedingungen zurück. Len sagt: „Vielleicht müssen wir uns damit abfinden, wir haben es nicht mehr in der Hand.“ [23]
Motive und Topoi
Meer
Die Erinnerung an das Meer geben Edith während ihrer depressiven Phasen Halt. In dunklen Stunden sehnt sie sich nach ihrem alten Leben am Meer und an die glücklichen Zeiten zurück und liegt tagelang in der Badewanne, bis ihre Haut weiß erscheint [24]oder versteckt sich eine Woche in ihrem Kleiderschrank. „Die Innenwände [des Schranks] hatte Edith mit Bildern vom Meer tapeziert: SANDSTRAND; HELLE DÜNEN; ANGESPÜLTE ALGEN; BEMOOSTE WELLENBRECHER; EIN PIER IM NEBEL; EINE AUSGEBOMBTE STRANDPROMENADE“ [25] Ihre einzigen Habseligkeiten, die sie während ihrer Flucht bei sich hatte, erinnern sie ebenfalls an das Meer. Ihr Schmuck besteht aus Perlmutt, ihre Haarbürste aus Treibholz und unter ihren Kleidern trägt sie gelegentlich ihren Badeanzug. Auch ihrer Tochter möchte Edith ihre Liebe zum Meer näherbringen und liest Skalde Gedichte über Dünen und Sachtexte über Meerestiere vor. Meisis, Metta und Skalde empfinden ebenfalls Hoffnung, wenn sie an das Meer denken. Ein Leben ist bei den sich verändernden Klimaverhältnissen in der Gegend nicht mehr möglich. Das Meer bietet bessere Lebensbedingungen, was die Möwen, die gelegentlich in die Gegend gelangen, beweisen. So beschließt die Familie zu flüchten. Edith wird jedoch bei den Vorbereitungen auf die Flucht getötet und wird mit ihren Habseligkeiten, die sie an das Meer erinnern, im Garten beerdigt[26]. Als Grabrede trägt Skalde ein Gedicht über den Bernstein vor, welches sie an Edith erinnert. Skalde, Meisis und Metta gelingt die Flucht zum Meer, jedoch ist selbst dort die Klimaveränderung sichtbar. Die Tiere verlieren ihre Farbe, zwischen dem Sand und den Wellen befindet sich Plastikmüll und die Temperatur ist höher als erwartet.
Haus und Garten
Skalde und Edith wohnen in der Gegend in einem Haus mit einem Garten. Im Garten pflanzen sie selbst ihre Nahrungsmittel an, züchten Kaninchen und Edith bringt ihrer Tochter das Schwimmen im Pool bei. Edith wird von den Bewohnern*innen der Gegend nicht akzeptiert und somit ist das Haus und der Garten ihr persönlicher Schutzraum. Sie verbietet Skalde diesen Raum zu verlassen und stellt die Regel auf, dass die Brombeerhecke, die sich im Garten befindet, von ihr nicht übertreten werden darf. In jüngeren Jahren hinterfragt Skalde diese Regel nicht, als jedoch Edith sich immer mehr zurückzieht, beginnt sie die Regeln zu hinterfragen und ihre Umgebung intensiver wahrzunehmen. Skalde beschreibt das Haus wie folgt: „Bei der grünlackierten Eingangstür platze die Farbe ab, und der Schmutz auf dem darüber liegenden Rundbogenfenster mit den sich auffächernden Holzverstrebungen war so dick, dass kein Licht durchfiel. Die grauen Steinfliesen im Flur klebten. In der Küche war es immer dunkler, nicht zuletzt wegen der Schränke aus Eiche und des Küchenbuffets, das schwarz war, fast als wäre die Oberfläche verkohlt. Noch dunkler wurde es nur in der Speisekammer.“ [27] Die Unordnung zieht sich durch das gesamte Haus. Jede Etage des Hauses ist unordentlich, dreckig und dunkel. Nur auf dem Dachboden fühlt Skalde sich sicher, weil Edith keinen Zugang zu diesem hat[28]. Dort kann Edith keine Unordnung schaffen und Skalde kann ihren eigenen Bereich nach ihren Vorstellungen gestalten[29]. Der zuvor durch Edith geschaffene Schutzraum wird für Skalde zu einem Gefängnis, weswegen sie unerlaubt den Wald erkundet. „Aus dem Haus zu verschwinden, fühlte sich an, als würde ein schwerer Stein von meinem Brustkorb genommen werden.“ [30] Um ihre negativen Gefühle verarbeiten zu können, schreibt Skalde ihre Gedanken auf und versteckt diese vor Edith im gesamten Haus[31]. Nachdem Meisis in das Haus eingezogen ist, versucht Skalde die Unterkunft wohnlich zu gestalten. Sie beginnt ihre eigene Ordnung im Haus herzustellen und schafft sich und Meisis ein Zuhause. „MIT DEM KIND IM HAUS SIND DIE NÄCHTE HELLER GEWORDEN.“ [32] Zum Schluss des Buches verstirbt Edith und wird mit samt ihren Habseligkeiten im Garten beerdigt.
Wald
Der Wald ist für Skalde eine verbotene Zone. Als sie diesen das erste Mal unerlaubt betritt, kommt eine geheimnisvolle und erwartungsvolle Stimmung bei Skalde auf. „Der Wald dahinter kam mir vor wie eine Kulisse. […] [Er] stand, als hätte er all die Jahre auf mich gewartet. Ich untersuchte die Rinde der Kiefern, verschob die Nadeln auf dem Boden, steckte zwei Tannenzapfen in die Tasche meines Regenmantels und lag, bis es dunkel wurde, in einer Kuhle zwischen den Wurzeln, den Blick in den Zweigen über mir. Ich verstand, dass ich hier hingehörte […]“ [33]Skalde befindet sich nun, gegen Ediths Willen, täglich im Wald und versucht jede Stelle kennenzulernen. Zur Orientierung ritzt sie Wegweiser in die Rinde der Bäume. Auf einer Lichtung baute sie aus Ästen eine Hütte. „Es war mein erstes Versteck im Wald gewesen. Weit genug von Edith entfernt, dass ich mir einreden konnte, es gäbe sie nicht.“ [34] In der Hütte befand sich eine Holzkiste, in der Skalde Zigaretten aufbewahrt. Während sie an einer Zigarette zog, begegnet ihr Meisis das erste Mal. Skalde zeigt Meisis, nachdem sie bei Edith und ihr eingezogen ist, den Wald und übermittelt ihr, ihr gesamtes Wissen über die Pflanzen und die Tierwelt. Sie möchte, dass Meisis ebenfalls eine tiefe Verbundenheit mit der Natur empfindet[35]. Doch der Wald wird im Verlauf der Handlung für Skalde zu einem unsicheren Ort, da sich die Bewohner*innen der Gegend in diesem verstecken könnten und dadurch die Familie unerwartet angreifen könnten. „DER WALD IST EIN ANDERER: VIELLEICHT WURDEN ÜBER NACHT DIE BÄUME AUSGETAUSCHT, UND NUN STEHEN DORT STATTDESSEN ATTRAPPEN; DEREN EINZIGE FUNKTION ES IST, VERSTECKE ZU SEIN, UM DAS AUFLAUERN ZU OPTIMIEREN.“ [36]
Gegensatzpaare
Global-lokal
Das Gegensatzpaar global-lokal lässt sich im Buch anhand der Ausmaße der in der Welt herrschenden Klimakatastrophe erkennen[37]. So wird immer wieder deutlich, dass sich die Hitze und die Veränderungen von der Tier- und Pflanzenwelt nicht nur auf Umgebung der Handlung beschränken, sondern weit darüber hinausgehen und voraussichtlich die ganze Welt umfassen.[38]. Die Klimakatastrophe ist also nicht nur lokal, sondern auch global. So berichtet Meisis, dass sie und ihre Schwester Metta vor der großen Hitze aus den „toten Gebieten“[39] geflohen seien, bevor sie die Gegend von Skalde und der Gemeinschaft erreichten[40] Auch breiten sich diese Veränderungen scheinbar aus, so wird am Anfang des Buches und am Ende der Handlung davon berichtet, wie die Tiere auch dort, nach der Flucht schon wieder anfingen, ihre Farbe zu verlieren[41]
Utopie-Dystopie
Dass es sich in Milchzähne um ein dystopisches fiktives Zukunftsszenario handelt, ist wenig verwunderlich. Die Menschen in der Geschichte kämpfen um ihr Überleben in einer sich rasch verändernden Umwelt. Aber auch die Tiere in dieser Welt kämpfen um ihr Überleben. So fallen Möwen mit angekokeltem Gefieder vom Himmel, andere Tiere fliehen ins Meer auf der Flucht vor verbrannten Landschaften, nur um dort zu sterben und wieder angespült zu werden. Jene Tiere, welche nicht sterben, verlieren ihre Farbe und werden zu Albinos. Doch lange wollen es die Bewohner der Gegend nicht wahrhaben und hoffen noch auf ein Ende des „endlosen Sommers“ und verstehen erst nach und nach: „Vielleicht müssen wir uns damit abfinden, wir haben es nicht mehr in der Hand“[42]. Selbst solche Orte, welche zunächst als schöne Orte und utopisch dargestellt werden, verlieren dies nach und nach. So wird der Wald, zu Anfang noch ein Ort, der Skalde das Gefühl gibt, als wenn sie dort hingehöre (vgl. S.17) zu einem Ort, der „so leer war, als hätte man ihn umgedreht und alles Lebendige herausgeschüttelt.“[43]
Mensch-Natur
Der Mensch und die Natur haben in Milchzähne ein zerrüttetes Verhältnis. So sagt Gösta, als sie von den vergangenen Veränderungen der Natur und dem Sterben der Nutztiere spricht: „Es ist doch verrückt, die Landschaft, die wir gerettet haben, verrät uns.“[44]. Auch Skalde hat ein besonderes Verhältnis zur Natur und der Landschaft. Sie ist gerne im Wald und in der Natur und so fällt ihr etwa während ihrer Streifzüge mit Meisis auf:, (…)„dass alles noch trockener geworden war. Die Wiesen und dir brachliegenden Felsen erinnerten mich an die Beschreibung von Steppen, die Edith mir früher einmal vorgelesen hatte. Das gelbbraune Gras, die fast blattlosen Büsche und Bäume. Scharfkantig schnitten die ihre Äste in den blauen Himmel. Dann wieder ganze Heckenzüge, die blühten. Schon von weitem rochen wir sie. Die Idylle hatte etwas Brutales.“[45]. Trotz dieser andauernden Wetter- und Naturextreme, wollen Skalde, aber auch Gösta, lange nicht war haben, dass dies keine temporären Veränderungen sind und glauben, dass der „endlose Sommer ein Ende finden würde“.[46]
Merkmale von Klimaliteratur seit 2000
Was macht Klimaliteratur aus? Klimawandelliteratur selbst, lässt sich nicht als eigenes Genre definieren, da sich viele verschiedene Genres, zum Beispiel Science-Fiction oder Thriller, der Thematik des Klimawandels bedienen [47]. Dennoch lassen sich in Literatur mit Klimawandelthematik oft bestimmte Merkmale wiederfinden. So spielen viele Werke der Klimaliteratur in einer (nahen) Zukunft[48], welche von (post-)apokalyptischen oder dystopischen Verhältnissen geprägt ist[49]. Ein weiteres Merkmal ist, dass die Klimakatastrophe die Figuren in dieser Welt psychologisch belastet und sie in emotionales oder psychologisches Dilemma bringt[50]. Doch nicht nur psychologisch werden die Figuren belastet, sondern die Klimakatastrophe hat auch Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Natur und Vertrauen in die Wissenschaft [51]. Ein weiterer Aspekt, welcher sich häufig finden lässt, ist der des Überlebens der Menschen verbunden mit einer Verpflichtung gegenüber den folgenden Generationen.[52] Auch wird in Klimaliteratur oft deutlich, dass die Katastrophe nicht nur lokal begrenzt ist, sondern globale Auswirkungen hat[53]. Verbunden mit einer drohenden oder bereits nicht mehr verhinderbaren Unumkehrbarkeit der Katastrophe [54]. Bei den Figuren in Klimaliteratur handelt es sich oft um Wissenschaftler, Umweltschützer oder andere Personen mit Fachwissen oder Fachkompetenz, welche der Erzählung mit Fakten eine gewisse Nähe zur Realität geben [55].
Merkmale in Milchzähne
Aber handelt es sich bei „Milchzähne“ jetzt um einen Roman, welcher der Klimaliteratur zugeordnet werden kann? Die Erzählung spielt in einer wahrscheinlich nahen Zukunft und die Welt, welche dort behandelt wird, ist in einem dystopischen Zustand[56]. Auch scheint die Klimakatastrophe nicht nur lokal beschränkt zu sein, sondern breitet sich global und unaufhaltsam aus[57]. Ein weiterer Aspekt, welcher einen Bezug zu Klimaliteratur nahelegt, ist, dass Skalde und auch die Bewohner der Gegend in einem dauerhaften Überlebenskampf sind, genug Essen zu bekommen, was erschwert wird, durch das Verschwinden und Sterben vieler Tiere und der Veränderung in der Tier- und Pflanzenwelt[58]. Was jedoch nicht behandelt wird, ist eine faktische Untermalung der Klimakatastrophe durch Figuren. Das Wissen über den Ursprung oder eine Mission für die Bekämpfung der Umweltveränderungen spielen keine Rolle. Stattdessen ist es der/dem Leser*in selbst überlassen diese Unbestimmtheiten zu füllen.
Belege
Autor*innen
Erstfassung: Leon Gieselmann und Isabel John am 19.01.2022. Den genauen Verlauf aller Bearbeitungsschritte können Sie der Versionsgeschichte des Artikels entnehmen; mögliche inhaltliche Diskussionen sind auf der [[Diskussion:Benutzer:Leon Gieselmann/Werkstatt|Diskussionsseite]] einsehbar.
Zitiervorlage:
Gieselmann, Leon; John, Isabel (2022): Werkstatt. In: Böhm, Felix; Böhnert, Martin; Reszke, Paul (Hrsg.): Climate Thinking – Ein Living Handbook. Kassel: Universität Kassel. URL=https://wiki.climate-thinking.de/index.php?title=Benutzer:Leon Gieselmann/Werkstatt, zuletzt abgerufen am 27.11.2024.
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