Benutzer: Lara Neugebauer/Werkstatt: Unterschied zwischen den Versionen
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− | + | Das Wort ‚politisch‘ ist grundsätzlich als Adjektiv zu verstehen, welches etwas beschreibt, dass die Politik betrifft <ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Duden/Dudenredaktion (o. J.) |Titel=politisch |Jahr=2022 |Website=Duden |Online=https://www.duden.de/rechtschreibung/politisch |Abruf=03.01.2022 }}</ref>. Weiterhin kann es als „auf ein Ziel gerichtet, klug und berechnend“<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Duden/Dudenredaktion (o. J.) |Titel=politisch |Jahr=2022 |Website=Duden |Online=https://www.duden.de/rechtschreibung/politisch |Abruf=03.01.2022 }}</ref> verstanden werden. Seine Herkunft findet das Wort im Griechischen. „politikós“ steht dabei in Bezug auf die Staatsverwaltung oder für die Bürgerschaft <ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Duden/Dudenredaktion (o. J.) |Titel=politisch |Jahr=2022 |Website=Duden |Online=https://www.duden.de/rechtschreibung/politisch |Abruf=03.01.2022 }}</ref>. | |
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− | + | Das Wort ‚ästhetisch‘ bildet das Adjektiv zum Substantiv ‚Ästhetisch‘ und ist dadurch in erster Linie als „den Gesetzen der Ästhetik entsprechend“ <ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Duden/Dudenredaktion (o. J.) |Titel=ästhetisch |Jahr=2022 |Website=Duden |Online=https://www.duden.de/rechtschreibung/aesthetisch |Abruf=03.01.2022 }}</ref> zu verstehen. Gleichzeitig bedeutet dies eine Auslegung des Begriffs als „stilvoll, schön, geschmackvoll, ansprechend“ <ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Duden/Dudenredaktion (o. J.) |Titel=ästhetisch |Jahr=2022 |Website=Duden |Online=https://www.duden.de/rechtschreibung/aesthetisch |Abruf=03.01.2022 }}</ref>. | |
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==Ausführliche Informationen zu den Begriffen== | ==Ausführliche Informationen zu den Begriffen== | ||
− | + | Auf den ersten Blick sind die Begriffe ‚politisch‘ und ‚ästhetisch‘ im Kontext der Literatur, spezifisch der Klimaliteratur, nicht einfach einzuordnen. Bei genauerer Betrachtung ist eine Auslegung möglich, bei der ‚politisch‘ mit der ‚littérature engagée‘ gleichgesetzt wird, ‚ästhetisch‘ hingegen das Prinzip von ‚l’art pour l’art‘ repräsentiert. | |
− | + | Der Begriff ‚littérature engagée‘ kommt aus dem Französischen und beschreibt die engagierte Literatur. Als engagierte Literatur lassen sich (vorrangig) belletristische Werke bezeichnen, welche den Anspruch haben, dem Leser ein spezifisches Interesse nahe zu legen. Engagierte Literatur kann also als eine Form der Literatur verstanden <ref>{{Quellen-Lexika|Lemma=|Autor*in= Schweikle, Günther; Schweikle, Irmgard |Herausgeber*in=Burdorf, Dieter; Fasbender, Christoph; Moennighoff, Burkhard |Nachschlagewerk=Metzler Lexikon. Begriffe und Definitionen |Ort= Stuttgart, Weimar |Verlag=J. B. Metzler |Jahr=2007 |Seite=190 }}</ref>. Die engagierte Literatur verfolgt somit immer ein Ziel. Das literarische Werk soll beim Leser ein Nachdenken über das Geschriebene auslösen, sodass seine eigenen Überzeugungen reflektiert werden und schlussendlich eine Handlungsmotivation entsteht. Bezogen auf die Klimaliteratur ist das Ziel der engagierten Literatur verschieden auszulegen. Es sollen dem Leser die Gründe und Auswirkungen des Klimawandels näher gebracht werden, aber auch dazu anleiten, selbst in Aktion zu treten und das eigene Leben klimafreundlicher zu gestalten, also ein nachhaltigeres Denken anregen. Im Besten Falle ist die Überzeugung des Werkes so mächtig, dass der Leser sich aktiv für den Klimaschutz einsetzt. | |
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− | + | Der Begriff ‚l’art pour l’art‘ stammt ebenfalls aus dem Französischen und bedeutet wortwörtlich übersetzt „die Kunst für die Kunst“. Sinngemäß ist dies als „die Kunst um der Kunst willen“ zu verstehen und bildet damit den Gegensatz zur engagierten Literatur, welche immer einen Zweck neben der künstlerischen Aussage selbst verfolgt. Die Kunst um der Kunst willen hingegen steht dafür ein, dass die Kunst selbst Aussage genug ist und verfolgt kein weiteres Motiv: „L’art pour l’art, […] Formel, die […] die Autonomie der Kunst gegen jegliche außerästhetischen (z. B. moralischen, religiösen oder politischen) Zwecke propagiert und das Schöne zum alleinigen Gestaltungsprinzip erklärt.“ <ref>{{Quellen-Lexika|Lemma=|Autor*in= Schweikle, Günther; Schweikle, Irmgard |Herausgeber*in=Burdorf, Dieter; Fasbender, Christoph; Moennighoff, Burkhard |Nachschlagewerk=Metzler Lexikon. Begriffe und Definitionen |Ort= Stuttgart, Weimar |Verlag=J. B. Metzler |Jahr=2007 |Seite=420 }}</ref> | |
+ | Betrachtet man die Klimaliteratur mit Blick auf das Gegensatzpaar ‚ästhetisch‘ und ‚politisch‘ gilt es zu überlegen, ob die literarischen Werke der Klimaliteratur immer einen politischen Anspruch haben, oder ob sich auch Werke finden lassen, welche rein ästhetisch einzuordnen sind. | ||
+ | ==Detailierte Analyse des Gegensatzpaares anhand ausgewählter Beispiele aus der Klimaliteratur== | ||
+ | Kunst, im Allgemeinen, hat grundsätzlich immer eine ästhetische Funktion. Die Ästhetik beschreibt in diesem Sinn die Wahrnehmung eines künstlerischen Objekts auf den Betrachter: wie nimmt der Betrachter das Objekt war? Was löst es in dem Betrachter aus? Dabei zu beachten gilt es, dass Kunst von verschiedenen Menschen auf ganz unterschiedliche Weise wahrgenommen werden kann. Zurückzuführen ist dies auf die unterschiedlichen Einflüsse, unter denen Menschen aufgewachsen sind, und die daraus resultierenden unterschiedlichen Geschmäcke, Präferenzen und Abneigungen. Man kann also nicht davon ausgehen, dass ein Kunstwerk die gleiche Reaktion von zwei Personen erhält. | ||
+ | Für Kunstwerke, die einen rein ästhetischen Anspruch haben, also dem Prinzip der ‚l’art pour l’art‘ entsprechen, stellt dies keine Hürde dar. Besteht das Ziel lediglich darin, in einer undefinierten Form auf den Rezipienten zu wirken, so erfüllt sich das Ziel automatisch durch das Betrachten des Werkes. Im Fall der Literatur erfüllt sich also das Ziel, auf den Leser zu wirken, automatisch dadurch, dass das Werk gelesen wird. | ||
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+ | Hat das Kunstwerk hingegen einen politischen Anspruch und gehört somit zur engagierten Literatur, so geht das Ziel über das Einwirken hinaus. Der künstlerische Beitrag muss nun auf der Wirkungsebene einen solchen Eindruck hinterlassen, dass der Betrachter ausreichend emotional motiviert wird, um aktiv zu handeln: „[...] der Klimawandelroman [...] kann durch seine inhaltliche wie formale Gestaltung das Lesepublikum nicht nur intellektuell, sondern auch emotional-affektiv erreichen.” <ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Mayer, Sylvia |Titel=Klimawandelroman |Herausgeber*in=Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte |Sammelband=Ecocriticism - eine Einführung |Ort=Köln |Verlag=Böhlau Verlag |Jahr=2015 |Seite=234 }}</ref> | ||
+ | Ein immer wieder in der Klimaliteratur anzutreffendes Thema sind Dystopien. Ein bekanntes Beispiel dafür ist „Die Tribute von Panem – Tödliche Spiele“ von Suzanne Collins. In ihrem Roman beschreibt Collins eine düstere Zukunft, in der sich Nordamerika aufgrund von unzähligen Klimakatastrophen und Kriegen zu einem Land der Diktatur gewandelt hat. Zu Beginn der Geschichte wird klar betont, dass Naturkatastrophen und deren Auswirkungen zum Untergang Nordamerikas geführt haben, wie es heutzutage bekannt ist, der Schwerpunkt des Romans hingegen liegt bei der Diktatur, welche dort nun herrscht, und den Folgen dieser Regierungsform für die Unterworfenen. Der Fokus wendet sich somit vom Thema Klimawandel und dessen Folgen ab und verfolgt stattdessen über die Trilogie den Kampf der Unterworfenen gegen das Regime, welches sie unterdrückt. Zwar sendet dieser Handlungsverlauf auch eine politische Nachricht, thematisch lässt sich diese aber getrennt zum Thema Klimawandel einordnen. Im Bereich der Klimaliteratur ist Collins Roman demnach mehr als ästhetisch statt politisch zu kategorisieren. | ||
− | + | Ein weiteres Beispiel für ästhetische Klimaliteratur lässt sich in der Lyrik von Marion Poschmann finden. In ihrem Werk „Nimbus“ behandelt die Autorin den Klimawandel in Form von Gedichten. Die Dichtungen Poschmanns verweisen unter anderem auf das Eisschmelzen: <blockquote>„Noch gestern hielt ich mich in tiefverschneiten/ Bergen auf. Jetzt sind sie eingeebnet,/ aufgelöst, ganz schlicht, so wie man einen/ Kühlschrank abtaut. Ich sah Wasser rinnen,/ sah das Eis in Brocken von den Wänden/ brechen, alles fiel zu Tal und wurde/ flüssig, wurde Tal und wurde nichts.“<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Poschmann, Marion |Titel=Nimbus |Ort=Berlin |Verlag=Suhrkamp Verlag |Jahr=2020 |Seite=9 }}</ref></blockquote>Die Autorin reagiert auf die zu beobachtenden Folgen des Klimawandels mit einer lyrischen Beschreibung, die eben nur das ist: eine Beschreibung ohne Handlungsaufforderung. | |
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+ | Etwas anders sieht es in „Eistau“ von Ilija Trojanow aus. Wie auch Poschmann wird hier das Eisschmelzen beschrieben, jedoch auf andere Art und Weise. Der Roman handelt von Zeno Hintermeier, einem ehemaligen Wissenschaftler, der nun auf Kreuzfahrtschiffen durch die Arktis den Passagieren Informationen über das Eissterben in Form von Vorträgen und individuellen Erklärungsgesprächen näherbringt. Im Verlauf des Romans wird Zenos Leiden immer klarer. Sein Gebiet der Expertise, das Schmelzen der Gletscher überall auf der Welt, geht ihm so nah wie das Sterben einer geliebten Person: „[…] was mich lähmt, scheint sie mit Leben zu erfüllen.“<ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Trojanow, Ilja |Titel=Eistau |Ort=?|Verlag=FISCHER Taschenbuch |Jahr=2019 |Seite=10 }}</ref> Zeno beschreibt in diesem Moment den gravierenden Unterschied zwischen ihm selbst und den Passagieren an Bord. Während ihn das Abtauen der Eismassen in Verzweiflung stürzt, erfreuen sich die Urlauber an Bord an den Gletschern, die während der Kreuzfahrt zu beobachten sind. Es finden sich viele derartige Formulierungen in Trojanows Roman, die über Zenos Gemütszustand keinen Zweifel lassen. Für den ehemaligen Wissenschaftler mündet das Wissen über das Tauen der Gletscher in einer Depression, aus der er kaum herauszufinden vermag. Auch sein Handeln, den Passagieren die Bedeutungen des Eisschmelzens näherzubringen, erscheint ihm irgendwann wie eine Farce. Am deutlichsten wird dies in einem Gespräch zwischen Zeno und einem Wirt aus Ushuaia, einem Ort, den das Kreuzfahrtschiff öfters besucht: <blockquote>„Ich habe dich beobachtet. Du bist nur Gerede. Deine Empörung ist ein Furz. Du läßt Luft ab, du stänkerst herum, ansonsten bist du wie alle anderen, nein, schlimmer noch, du weißt Bescheid, und du läßt dir dein Wissen versilbern.“ <ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Trojanow, Ilja |Titel=Eistau |Ort=?|Verlag=FISCHER Taschenbuch |Jahr=2019 |Seite=17 }}</ref></blockquote> Die Worte sind an Zeno selbst gerichtet, der dafür bekannt ist, sich selbst in Rage zu reden, wenn er über das Schmelzen der Eismassen redet. Zeno verteidigt sich nicht gegen den Vorwurf. Aus den Worten des Wirtes ist eine klare Anklage Zenos zu entnehmen, der in den Augen des Wirtes noch schlimmer als die Passagiere des Kreuzfahrtschiffes ist, da er über das Ausmaß an Naturverwüstung Bescheid weiß und doch nichts Konkretes dagegen unternimmt. Der Vorwurf an Zeno kann auch als ein Vorwurf an die Menschheit im Allgemeinen verstanden werden. Die Konsequenzen des Klimawandels sind bereits bekannt, jedoch ist die vorherrschende Meinung, dass viel zu wenig unternommen wird, um das Klima zu schützen. Der Vorwurf enthält also eine politische Nachricht, die auch kurz darauf noch einmal ganz klar formuliert wird: „Etwas muß geschehen. Es ist höchste Zeit.“ <ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Trojanow, Ilja |Titel=Eistau |Ort=?|Verlag=FISCHER Taschenbuch |Jahr=2019 |Seite=18 }}</ref> | ||
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==Fazit== | ==Fazit== | ||
− | + | Die verschiedenen Beispiele zeigen, dass sowohl in der ästhetischen Klimaliteratur als auch in der politischen Klimaliteratur grundsätzlich von AutorInnen so gehandelt wird, dass die LeserInnen auf unbestimmte, für jeden Leser und Leserin unterschiedliche Art und Weise, erreicht werden. Ist das Ziel des Werkes, eine politische Aussage zu vermitteln, so sind die Werke trotzdem von ihrer emotionalen Tragweite abhängig: „Durch die mögliche Imagination in der Literatur kann ein Mehrwert geschaffen werden, der durch ästhetische Sensibilisierung ein tiefergehendes ökologisches Verständnis hervorrufen kann und somit gegebenenfalls ein aktives Handeln bewirkt.“ <ref>{{Quellen-Literatur|Autor*in=Mayer, Sylvia |Titel=Klimawandelroman |Herausgeber*in=Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte |Sammelband=Ecocriticism - eine Einführung |Ort=Köln |Verlag=Böhlau Verlag |Jahr=2015 |Seite=259 }}</ref> Beachtet man dabei, dass die Form und das Ausmaß, in der ein Werk auf jemanden wirken kann äußerst subjektiv ist, kann argumentiert werden, dass auch die Einordnung eines literarischen Werkes zu ästhetisch oder politisch subjektiv ist und somit sehr unterschiedlich ausfallen kann. | |
== Belege == | == Belege == | ||
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Version vom 29. Januar 2022, 13:16 Uhr
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Definition der Begriffe
Politisch
Das Wort ‚politisch‘ ist grundsätzlich als Adjektiv zu verstehen, welches etwas beschreibt, dass die Politik betrifft [1]. Weiterhin kann es als „auf ein Ziel gerichtet, klug und berechnend“[2] verstanden werden. Seine Herkunft findet das Wort im Griechischen. „politikós“ steht dabei in Bezug auf die Staatsverwaltung oder für die Bürgerschaft [3].
Ästhetisch
Das Wort ‚ästhetisch‘ bildet das Adjektiv zum Substantiv ‚Ästhetisch‘ und ist dadurch in erster Linie als „den Gesetzen der Ästhetik entsprechend“ [4] zu verstehen. Gleichzeitig bedeutet dies eine Auslegung des Begriffs als „stilvoll, schön, geschmackvoll, ansprechend“ [5].
Ausführliche Informationen zu den Begriffen
Auf den ersten Blick sind die Begriffe ‚politisch‘ und ‚ästhetisch‘ im Kontext der Literatur, spezifisch der Klimaliteratur, nicht einfach einzuordnen. Bei genauerer Betrachtung ist eine Auslegung möglich, bei der ‚politisch‘ mit der ‚littérature engagée‘ gleichgesetzt wird, ‚ästhetisch‘ hingegen das Prinzip von ‚l’art pour l’art‘ repräsentiert. Der Begriff ‚littérature engagée‘ kommt aus dem Französischen und beschreibt die engagierte Literatur. Als engagierte Literatur lassen sich (vorrangig) belletristische Werke bezeichnen, welche den Anspruch haben, dem Leser ein spezifisches Interesse nahe zu legen. Engagierte Literatur kann also als eine Form der Literatur verstanden [6]. Die engagierte Literatur verfolgt somit immer ein Ziel. Das literarische Werk soll beim Leser ein Nachdenken über das Geschriebene auslösen, sodass seine eigenen Überzeugungen reflektiert werden und schlussendlich eine Handlungsmotivation entsteht. Bezogen auf die Klimaliteratur ist das Ziel der engagierten Literatur verschieden auszulegen. Es sollen dem Leser die Gründe und Auswirkungen des Klimawandels näher gebracht werden, aber auch dazu anleiten, selbst in Aktion zu treten und das eigene Leben klimafreundlicher zu gestalten, also ein nachhaltigeres Denken anregen. Im Besten Falle ist die Überzeugung des Werkes so mächtig, dass der Leser sich aktiv für den Klimaschutz einsetzt.
Der Begriff ‚l’art pour l’art‘ stammt ebenfalls aus dem Französischen und bedeutet wortwörtlich übersetzt „die Kunst für die Kunst“. Sinngemäß ist dies als „die Kunst um der Kunst willen“ zu verstehen und bildet damit den Gegensatz zur engagierten Literatur, welche immer einen Zweck neben der künstlerischen Aussage selbst verfolgt. Die Kunst um der Kunst willen hingegen steht dafür ein, dass die Kunst selbst Aussage genug ist und verfolgt kein weiteres Motiv: „L’art pour l’art, […] Formel, die […] die Autonomie der Kunst gegen jegliche außerästhetischen (z. B. moralischen, religiösen oder politischen) Zwecke propagiert und das Schöne zum alleinigen Gestaltungsprinzip erklärt.“ [7] Betrachtet man die Klimaliteratur mit Blick auf das Gegensatzpaar ‚ästhetisch‘ und ‚politisch‘ gilt es zu überlegen, ob die literarischen Werke der Klimaliteratur immer einen politischen Anspruch haben, oder ob sich auch Werke finden lassen, welche rein ästhetisch einzuordnen sind.
Detailierte Analyse des Gegensatzpaares anhand ausgewählter Beispiele aus der Klimaliteratur
Kunst, im Allgemeinen, hat grundsätzlich immer eine ästhetische Funktion. Die Ästhetik beschreibt in diesem Sinn die Wahrnehmung eines künstlerischen Objekts auf den Betrachter: wie nimmt der Betrachter das Objekt war? Was löst es in dem Betrachter aus? Dabei zu beachten gilt es, dass Kunst von verschiedenen Menschen auf ganz unterschiedliche Weise wahrgenommen werden kann. Zurückzuführen ist dies auf die unterschiedlichen Einflüsse, unter denen Menschen aufgewachsen sind, und die daraus resultierenden unterschiedlichen Geschmäcke, Präferenzen und Abneigungen. Man kann also nicht davon ausgehen, dass ein Kunstwerk die gleiche Reaktion von zwei Personen erhält. Für Kunstwerke, die einen rein ästhetischen Anspruch haben, also dem Prinzip der ‚l’art pour l’art‘ entsprechen, stellt dies keine Hürde dar. Besteht das Ziel lediglich darin, in einer undefinierten Form auf den Rezipienten zu wirken, so erfüllt sich das Ziel automatisch durch das Betrachten des Werkes. Im Fall der Literatur erfüllt sich also das Ziel, auf den Leser zu wirken, automatisch dadurch, dass das Werk gelesen wird.
Hat das Kunstwerk hingegen einen politischen Anspruch und gehört somit zur engagierten Literatur, so geht das Ziel über das Einwirken hinaus. Der künstlerische Beitrag muss nun auf der Wirkungsebene einen solchen Eindruck hinterlassen, dass der Betrachter ausreichend emotional motiviert wird, um aktiv zu handeln: „[...] der Klimawandelroman [...] kann durch seine inhaltliche wie formale Gestaltung das Lesepublikum nicht nur intellektuell, sondern auch emotional-affektiv erreichen.” [8] Ein immer wieder in der Klimaliteratur anzutreffendes Thema sind Dystopien. Ein bekanntes Beispiel dafür ist „Die Tribute von Panem – Tödliche Spiele“ von Suzanne Collins. In ihrem Roman beschreibt Collins eine düstere Zukunft, in der sich Nordamerika aufgrund von unzähligen Klimakatastrophen und Kriegen zu einem Land der Diktatur gewandelt hat. Zu Beginn der Geschichte wird klar betont, dass Naturkatastrophen und deren Auswirkungen zum Untergang Nordamerikas geführt haben, wie es heutzutage bekannt ist, der Schwerpunkt des Romans hingegen liegt bei der Diktatur, welche dort nun herrscht, und den Folgen dieser Regierungsform für die Unterworfenen. Der Fokus wendet sich somit vom Thema Klimawandel und dessen Folgen ab und verfolgt stattdessen über die Trilogie den Kampf der Unterworfenen gegen das Regime, welches sie unterdrückt. Zwar sendet dieser Handlungsverlauf auch eine politische Nachricht, thematisch lässt sich diese aber getrennt zum Thema Klimawandel einordnen. Im Bereich der Klimaliteratur ist Collins Roman demnach mehr als ästhetisch statt politisch zu kategorisieren.
Ein weiteres Beispiel für ästhetische Klimaliteratur lässt sich in der Lyrik von Marion Poschmann finden. In ihrem Werk „Nimbus“ behandelt die Autorin den Klimawandel in Form von Gedichten. Die Dichtungen Poschmanns verweisen unter anderem auf das Eisschmelzen:
„Noch gestern hielt ich mich in tiefverschneiten/ Bergen auf. Jetzt sind sie eingeebnet,/ aufgelöst, ganz schlicht, so wie man einen/ Kühlschrank abtaut. Ich sah Wasser rinnen,/ sah das Eis in Brocken von den Wänden/ brechen, alles fiel zu Tal und wurde/ flüssig, wurde Tal und wurde nichts.“[9]
Die Autorin reagiert auf die zu beobachtenden Folgen des Klimawandels mit einer lyrischen Beschreibung, die eben nur das ist: eine Beschreibung ohne Handlungsaufforderung. Etwas anders sieht es in „Eistau“ von Ilija Trojanow aus. Wie auch Poschmann wird hier das Eisschmelzen beschrieben, jedoch auf andere Art und Weise. Der Roman handelt von Zeno Hintermeier, einem ehemaligen Wissenschaftler, der nun auf Kreuzfahrtschiffen durch die Arktis den Passagieren Informationen über das Eissterben in Form von Vorträgen und individuellen Erklärungsgesprächen näherbringt. Im Verlauf des Romans wird Zenos Leiden immer klarer. Sein Gebiet der Expertise, das Schmelzen der Gletscher überall auf der Welt, geht ihm so nah wie das Sterben einer geliebten Person: „[…] was mich lähmt, scheint sie mit Leben zu erfüllen.“[10] Zeno beschreibt in diesem Moment den gravierenden Unterschied zwischen ihm selbst und den Passagieren an Bord. Während ihn das Abtauen der Eismassen in Verzweiflung stürzt, erfreuen sich die Urlauber an Bord an den Gletschern, die während der Kreuzfahrt zu beobachten sind. Es finden sich viele derartige Formulierungen in Trojanows Roman, die über Zenos Gemütszustand keinen Zweifel lassen. Für den ehemaligen Wissenschaftler mündet das Wissen über das Tauen der Gletscher in einer Depression, aus der er kaum herauszufinden vermag. Auch sein Handeln, den Passagieren die Bedeutungen des Eisschmelzens näherzubringen, erscheint ihm irgendwann wie eine Farce. Am deutlichsten wird dies in einem Gespräch zwischen Zeno und einem Wirt aus Ushuaia, einem Ort, den das Kreuzfahrtschiff öfters besucht:
„Ich habe dich beobachtet. Du bist nur Gerede. Deine Empörung ist ein Furz. Du läßt Luft ab, du stänkerst herum, ansonsten bist du wie alle anderen, nein, schlimmer noch, du weißt Bescheid, und du läßt dir dein Wissen versilbern.“ [11]
Die Worte sind an Zeno selbst gerichtet, der dafür bekannt ist, sich selbst in Rage zu reden, wenn er über das Schmelzen der Eismassen redet. Zeno verteidigt sich nicht gegen den Vorwurf. Aus den Worten des Wirtes ist eine klare Anklage Zenos zu entnehmen, der in den Augen des Wirtes noch schlimmer als die Passagiere des Kreuzfahrtschiffes ist, da er über das Ausmaß an Naturverwüstung Bescheid weiß und doch nichts Konkretes dagegen unternimmt. Der Vorwurf an Zeno kann auch als ein Vorwurf an die Menschheit im Allgemeinen verstanden werden. Die Konsequenzen des Klimawandels sind bereits bekannt, jedoch ist die vorherrschende Meinung, dass viel zu wenig unternommen wird, um das Klima zu schützen. Der Vorwurf enthält also eine politische Nachricht, die auch kurz darauf noch einmal ganz klar formuliert wird: „Etwas muß geschehen. Es ist höchste Zeit.“ [12]
Fazit
Die verschiedenen Beispiele zeigen, dass sowohl in der ästhetischen Klimaliteratur als auch in der politischen Klimaliteratur grundsätzlich von AutorInnen so gehandelt wird, dass die LeserInnen auf unbestimmte, für jeden Leser und Leserin unterschiedliche Art und Weise, erreicht werden. Ist das Ziel des Werkes, eine politische Aussage zu vermitteln, so sind die Werke trotzdem von ihrer emotionalen Tragweite abhängig: „Durch die mögliche Imagination in der Literatur kann ein Mehrwert geschaffen werden, der durch ästhetische Sensibilisierung ein tiefergehendes ökologisches Verständnis hervorrufen kann und somit gegebenenfalls ein aktives Handeln bewirkt.“ [13] Beachtet man dabei, dass die Form und das Ausmaß, in der ein Werk auf jemanden wirken kann äußerst subjektiv ist, kann argumentiert werden, dass auch die Einordnung eines literarischen Werkes zu ästhetisch oder politisch subjektiv ist und somit sehr unterschiedlich ausfallen kann.
Belege
- ↑ Duden/Dudenredaktion (o. J.) (2022): politisch. In: Duden. Online, zuletzt abgerufen am 03.01.2022.
- ↑ Duden/Dudenredaktion (o. J.) (2022): politisch. In: Duden. Online, zuletzt abgerufen am 03.01.2022.
- ↑ Duden/Dudenredaktion (o. J.) (2022): politisch. In: Duden. Online, zuletzt abgerufen am 03.01.2022.
- ↑ Duden/Dudenredaktion (o. J.) (2022): ästhetisch. In: Duden. Online, zuletzt abgerufen am 03.01.2022.
- ↑ Duden/Dudenredaktion (o. J.) (2022): ästhetisch. In: Duden. Online, zuletzt abgerufen am 03.01.2022.
- ↑ In: Burdorf, Dieter; Fasbender, Christoph; Moennighoff, Burkhard (Hrsg.): Metzler Lexikon. Begriffe und Definitionen, Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler (2007), S. 190.
- ↑ In: Burdorf, Dieter; Fasbender, Christoph; Moennighoff, Burkhard (Hrsg.): Metzler Lexikon. Begriffe und Definitionen, Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler (2007), S. 420.
- ↑ Mayer, Sylvia (2015): Klimawandelroman. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hrsg.): Ecocriticism - eine Einführung, Köln: Böhlau Verlag, S. 234.
- ↑ Poschmann, Marion (2020): Nimbus. Berlin: Suhrkamp Verlag, S. 9.
- ↑ Trojanow, Ilja (2019): Eistau. ?: FISCHER Taschenbuch, S. 10.
- ↑ Trojanow, Ilja (2019): Eistau. ?: FISCHER Taschenbuch, S. 17.
- ↑ Trojanow, Ilja (2019): Eistau. ?: FISCHER Taschenbuch, S. 18.
- ↑ Mayer, Sylvia (2015): Klimawandelroman. In: Dürbeck, Gabriele; Stobbe, Urte (Hrsg.): Ecocriticism - eine Einführung, Köln: Böhlau Verlag, S. 259.