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==Definition der Begriffe==
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===Fakt===
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Der Fakt, auch das Faktum genannt, beschreibt eine Tatsache, welche nachweislich existiert oder geschehen ist (Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Faktum_Gegebenheit_Sachlage). Wenn etwas als Fakt ausgelegt wird, ist also davon auszugehen, dass der Umstand, welcher als Fakt beschrieben wird, nachvollziehbar belegt und bewiesen werden kann. Ein Fakt ist mit der Wahrheit gleichsetzbar und vertritt die Realität.
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===Fiktion===
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Als Gegensatz dazu findet sich die Fiktion, welche etwas Ausgedachtes, nicht reales und nur in der Vorstellung existierendes beschreibt (Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Fiktion). Im Unterschied zum Fakt hat die Fiktion keinen Wahrheitsgehalt und basiert auf Erfindungen und Fantasie.
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==Ausführliche Informationen zu den Begriffen==
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Der Klimawandel wird literarisch auf verschiedenen Ebenen ausführlich behandelt. Dabei muss zwischen der Fiction und Non-Fiction unterschieden werden; also zwischen den literarischen Ausführungen, welche der Belletristik angehören, und denen, welche der Sachliteratur oder Fachliteratur zuzuordnen sind. Dieser Artikel befasst sich mit der Klimawandelliteratur, welche der Belletristik angehört, also der Fiction.
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Die Literatur innerhalb der Belletristik verfolgt vordergründig das Ziel, zu unterhalten, anstatt Fakten zu lehrendie Lehre von Fakten. Um den fiktiven Status eines literarischen Werkes für Leser zu kennzeichnen, werden in der Regel Fiktionssignale eingesetzt: „Unter Fiktionssignalen werden im Allgemeinen Phänomene verstanden, die auf mehr oder weniger eindeutige Weise anzeigen oder nahe legen, dass ein Text fiktional ist.“ (Zipfel 2014, 97 f.) Zu diesen Signalen gehören z.B. eine vom/von des/der Autor*in vorgenommene spezifische literarische Zuschreibung des eigenen Werkes, wie ‚Roman‘, ‚Drama‘, ‚Gedicht‘ o.ä. Im Bereich der Belletristik hat die Klimawandelliteratur bereits einen eigenen Gattungsbegriff erhalten, die Climate Fiction (aus dem Englischen, zu Deutsch: Klima-Fiktion). Wie der Kategorie-Name bereits andeutet, sind Werke aus dieser Gattung immer als fiktiv zu verstehen.
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Ausgehend von dieser Tatsache gilt es zu überlegen, wie die Begriffe Fakt und Fiktion innerhalb eines rein-fiktionalen Kontextes auszulegen sind, (und ob ein Fakt als solcher innerhalb dieses Kontextes noch so genannt werden darf).
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==3.3 Detaillierte Analyse des Gegensatzpaares anhand ausgewählter Beispiele aus der Klimaliteratur==
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Im Metzler Lexikon für Literatur wird Fiktion folgendermaßen definiert: „[…] Auf lit. Texte bezogen der imaginäre Status der dargestellten Figuren, Orte und Ereignisse, insofern diese keine direkte Korrespondenz in der Realität besitzen.“ (Schweikle, G., Schweikle, I., Burdorf, D., Fasbender, C., & Moennighoff, B. (Eds.) „Metzler Lexikon Literatur: Begriffe und Definitionen“ S. 239) Basierend auf dieser Definition legitimiert sich etwas also dann als Fiktion, wenn es nicht vergleichbar in der Realität existiert oder geschehen ist. Gleichermaßen ergibt sich daraus, dass ein Fakt in der Literatur etwas beschreibt, was bereits bekannt ist, also tatsächlich existiert oder geschehen ist: „„In fiktionaler Lit. […] können sich fiktive mit realen Elementen vermischen. Das gilt bes. für Gattungen an der Grenze zwischen Faktum und F. wie den ä historischen Roman oder das Dokumentartheater […], aber auch für viele andere Werke, welche fiktive Ereignisse schildern, die sich an realen Orten zutragen […].“ (Ebd.) Im Bereich der Climate Fiction ist dieses Prinzip häufig auf ähnlich umgesetzte Art und Weise anzutreffen.
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In der Klimawandelliteratur sind häufig Szenarien zu finden, in denen der Klimawandel bereits stattgefunden hat. Der Leser ist für den Prozess des Klimawandels nicht anwesend, sondern wird mit dem sich daraus resultierenden Ergebnis konfrontiert, welches sich häufig als einschneidende Veränderung für die Menschheit und den Planeten im Allgemeinen darstellt. Ein Beispiel dafür stellt die Welt in „Milchzähne“ von Helene Bukowski dar. Die Charaktere aus „Milchzähne“ leben zunächst in einem beständigen Nebel, der sich nie zu lichten scheint. Als eines Tages die Sonne doch durch den Nebel bricht, hört sie nicht mehr auf zu scheinen. Eine unaufhaltsame Dürre breitet sich aus, die kein Ende kennt, und die Natur und Lebenswelt der Charaktere massiv verändert: die ansässigen Tiere bleichen über die Jahre aus, das Gras verkohlt durch den fehlenden Regen. Die Sonne ist so intensiv, dass sogar Möwen angekohlt aus dem Himmel zu Boden stürzen. Zunächst kommen die Hauptcharaktere mit diesen Veränderungen gut klar. Sie haben sich über Jahre hin, während der Zeit des Nebels, eine Menge an Essensvorräten zugelegt und haben gelernt, zu Selbstversorgern zu werden, indem sie den Garten hinter dem Haus bewirtschaften und sich Kaninchen halten. Doch je länger die Dürreperiode anhält, desto weniger Ertrag bringt der Garten, und auch die Ländereien der Nachbarn bringen weniger und weniger Ernte ein. Die Wetterveränderung stellt nach und nach eine ernsthafte Bedrohung für die Anwohner dar.
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Auch die „Maze Runner“-Reihe von James Dashner erzählt von einer post-apokalyptischen Welt, in der die  Charaktere ebenfalls den Folgen einer starken Naturveränderung ausgesetzt sind. In Dashners Roman verändert sich die Welt der Menschen nach einer Reihe von Sonneneruptionen, welche die Erde massiv beschädigen. Ganze Lebensregionen werden von der Erde gebrannt. Die von den Sonneneruptionen unbeschädigten Länder haben mit den Folgekonsequenzen zu kämpfen, die sich in der Form von Feuerstürmen, Tsunamis und extremer Hitze zeigen. Das Endergebnis ist eine neue Wüste, welche sich durch den gesamten Bereich des Äquators zieht; eine durch Wetterkatastrophen gänzlich veränderte Erde.
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Ein ähnliches Geschehen ist in „Die Tribute von Panem – Tödliche Spiele“ von Suzanne Collins beschrieben: „Er erzählt aus der Geschichte von Panem, dem Land, das aus den Trümmern dessen erstand, was einst Nordamerika genannt wurde. Er zählt die Katastrophen auf, die Dürren, die Stürme, die Feuersbrünste, erzählt von dem anschwellenden Meer, das so viel Land geschluckt hat, und erinnert an den brutalen Krieg um die wenige verbliebene Nahrung.“ (S. 23) Die Welt, in der sich die Charaktere von Suzanne Collins nun behaupten müssen, zeichnet sich durch eine Dystopie aus, in der Hunger und Nahrungsnot konstante Faktoren sind. Während in „Die Tribute von Panem“ die Ursachen für diese Hungersnöte vordergründig am bestehenden politischen System liegen und sich während des Handlungsverlaufs wenige Hinweise dafür finden lassen, dass Klima, Wetter oder die Natur im Allgemeinen für die Hungersnöte verantwortlich sind, so gibt der zitierte Ausschnitt doch einen Einblick in die Umweltkatastrophen, welche der Menschheit in Collins Roman massiv zugesetzt haben.
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Die beschriebenen Katastrophen sind auch uns als Leser nicht unbekannt. Allein in den letzten zwanzig Jahren hat die Anzahl an Umweltkatastrophen beachtlich zugenommen. Zwischen 1980 und 1999 kam es weltweit zu 1.389 aufgezeichneten Überschwemmungen. Die Anzahl der zwischen 2000 und 2019 aufgezeichneten Überschwemmungen weltweit ist fast zweieinhalb mal so hoch und liegt bei 3.254 (CRED & UNDRR, Anzahl an Naturkatastrophen weltweit in den Zeiträumen 1980 bis 1999 und 2000 bis 2019 Statista, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1222072/umfrage/anzahl-naturkatastrophen/ (letzter Besuch 08. Januar 2022). Während bei Überschwemmungen der höchste Anstieg zu in diesem Zeitfenster zu beobachten ist, ist Hochwasser nicht die einzige Naturkatastrophe, welche in ihrer Häufigkeit zugenommen hat. Das gleiche lässt sich bei anderen Ereignissen wie z.B. bei Stürmen nachweisen, welche einen Anstieg von 1.457 auf 2.043 verzeichneten, und für extreme Temperaturen, welche statt 130-mal 432-mal nachgewiesen werden konnten.
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Naturkatastrophen sind durch ihre immer häufigeren Auftritte also längst nicht mehr eine Seltenheit, sondern Begebenheiten, die jedermann bekannt sind. Als solches gesehen lassen sie sich in der Klimawandelliteratur als Fakten auslegen, die von Autoren und Autorinnen genutzt werden, um für die erdachten Dystopien eine fundierte Grundlage zu schaffen, die dem Leser einleuchtet und für ihn nachvollziehbar ist: „‘Klimawandelliteratur‘ […] nutzt das Experimentierfeld der Fiktion, um sich mit der konkreten Erfahrung des anthropogenen Klimawandels, seinen Ursachen und seinen bereits realen wie in der Zukunft möglichen Auswirkungen auseinanderzusetzen.“ (Sylvia Mayer, „Klimawandelroman“ in „Ecocriticism – Eine Einführung“, S. 234) Basierend auf bekannten Elementen – in diesem Fall Wetter-, Klima- und letztendlich Weltveränderungen – sind die fiktional weitergeführten Welten für den Leser als nachempfindbarer gestaltet und erlauben dem Leser dadurch ein tieferes Eintauchen in die neuen literarischen Welten.
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==Fazit==
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Zusammengefasst können innerhalb der Klimawandelliteratur, auch Climate Fiction genannt, die Begriffe Fakt und Fiktion insofern ausgelegt werden, dass, dem Leser bekannte, real existierende oder geschehene Begebenheiten (Fakten) genutzt werden, um eine Grundlage zu schaffen, auf der aufbauend im weiteren Verlauf fiktiv weitergesponnen werden kann. Der Begriff ‚Fakt‘ im Kontext der Belletristik erfährt also eine Legitimierung dadurch, dass die beschriebenen Figuren, Orte oder Ereignisse eine direkte Entsprechung in der Realität besitzen. Obwohl also Fakt und Fiktion grundsätzlich als Gegensatz zu verstehen sind, sind die Begriffe in der Klimawandelliteratur nicht einfach voneinander getrennt anzusehen, sondern als Gemisch anzusehen, bei dem die Begriffe voneinander abhängig sind und aufeinander aufbauen.

Version vom 13. Januar 2022, 09:43 Uhr

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Definition der Begriffe

Fakt

Der Fakt, auch das Faktum genannt, beschreibt eine Tatsache, welche nachweislich existiert oder geschehen ist (Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Faktum_Gegebenheit_Sachlage). Wenn etwas als Fakt ausgelegt wird, ist also davon auszugehen, dass der Umstand, welcher als Fakt beschrieben wird, nachvollziehbar belegt und bewiesen werden kann. Ein Fakt ist mit der Wahrheit gleichsetzbar und vertritt die Realität.

Fiktion

Als Gegensatz dazu findet sich die Fiktion, welche etwas Ausgedachtes, nicht reales und nur in der Vorstellung existierendes beschreibt (Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Fiktion). Im Unterschied zum Fakt hat die Fiktion keinen Wahrheitsgehalt und basiert auf Erfindungen und Fantasie.

Ausführliche Informationen zu den Begriffen

Der Klimawandel wird literarisch auf verschiedenen Ebenen ausführlich behandelt. Dabei muss zwischen der Fiction und Non-Fiction unterschieden werden; also zwischen den literarischen Ausführungen, welche der Belletristik angehören, und denen, welche der Sachliteratur oder Fachliteratur zuzuordnen sind. Dieser Artikel befasst sich mit der Klimawandelliteratur, welche der Belletristik angehört, also der Fiction. Die Literatur innerhalb der Belletristik verfolgt vordergründig das Ziel, zu unterhalten, anstatt Fakten zu lehrendie Lehre von Fakten. Um den fiktiven Status eines literarischen Werkes für Leser zu kennzeichnen, werden in der Regel Fiktionssignale eingesetzt: „Unter Fiktionssignalen werden im Allgemeinen Phänomene verstanden, die auf mehr oder weniger eindeutige Weise anzeigen oder nahe legen, dass ein Text fiktional ist.“ (Zipfel 2014, 97 f.) Zu diesen Signalen gehören z.B. eine vom/von des/der Autor*in vorgenommene spezifische literarische Zuschreibung des eigenen Werkes, wie ‚Roman‘, ‚Drama‘, ‚Gedicht‘ o.ä. Im Bereich der Belletristik hat die Klimawandelliteratur bereits einen eigenen Gattungsbegriff erhalten, die Climate Fiction (aus dem Englischen, zu Deutsch: Klima-Fiktion). Wie der Kategorie-Name bereits andeutet, sind Werke aus dieser Gattung immer als fiktiv zu verstehen. Ausgehend von dieser Tatsache gilt es zu überlegen, wie die Begriffe Fakt und Fiktion innerhalb eines rein-fiktionalen Kontextes auszulegen sind, (und ob ein Fakt als solcher innerhalb dieses Kontextes noch so genannt werden darf).

3.3 Detaillierte Analyse des Gegensatzpaares anhand ausgewählter Beispiele aus der Klimaliteratur

Im Metzler Lexikon für Literatur wird Fiktion folgendermaßen definiert: „[…] Auf lit. Texte bezogen der imaginäre Status der dargestellten Figuren, Orte und Ereignisse, insofern diese keine direkte Korrespondenz in der Realität besitzen.“ (Schweikle, G., Schweikle, I., Burdorf, D., Fasbender, C., & Moennighoff, B. (Eds.) „Metzler Lexikon Literatur: Begriffe und Definitionen“ S. 239) Basierend auf dieser Definition legitimiert sich etwas also dann als Fiktion, wenn es nicht vergleichbar in der Realität existiert oder geschehen ist. Gleichermaßen ergibt sich daraus, dass ein Fakt in der Literatur etwas beschreibt, was bereits bekannt ist, also tatsächlich existiert oder geschehen ist: „„In fiktionaler Lit. […] können sich fiktive mit realen Elementen vermischen. Das gilt bes. für Gattungen an der Grenze zwischen Faktum und F. wie den ä historischen Roman oder das Dokumentartheater […], aber auch für viele andere Werke, welche fiktive Ereignisse schildern, die sich an realen Orten zutragen […].“ (Ebd.) Im Bereich der Climate Fiction ist dieses Prinzip häufig auf ähnlich umgesetzte Art und Weise anzutreffen. In der Klimawandelliteratur sind häufig Szenarien zu finden, in denen der Klimawandel bereits stattgefunden hat. Der Leser ist für den Prozess des Klimawandels nicht anwesend, sondern wird mit dem sich daraus resultierenden Ergebnis konfrontiert, welches sich häufig als einschneidende Veränderung für die Menschheit und den Planeten im Allgemeinen darstellt. Ein Beispiel dafür stellt die Welt in „Milchzähne“ von Helene Bukowski dar. Die Charaktere aus „Milchzähne“ leben zunächst in einem beständigen Nebel, der sich nie zu lichten scheint. Als eines Tages die Sonne doch durch den Nebel bricht, hört sie nicht mehr auf zu scheinen. Eine unaufhaltsame Dürre breitet sich aus, die kein Ende kennt, und die Natur und Lebenswelt der Charaktere massiv verändert: die ansässigen Tiere bleichen über die Jahre aus, das Gras verkohlt durch den fehlenden Regen. Die Sonne ist so intensiv, dass sogar Möwen angekohlt aus dem Himmel zu Boden stürzen. Zunächst kommen die Hauptcharaktere mit diesen Veränderungen gut klar. Sie haben sich über Jahre hin, während der Zeit des Nebels, eine Menge an Essensvorräten zugelegt und haben gelernt, zu Selbstversorgern zu werden, indem sie den Garten hinter dem Haus bewirtschaften und sich Kaninchen halten. Doch je länger die Dürreperiode anhält, desto weniger Ertrag bringt der Garten, und auch die Ländereien der Nachbarn bringen weniger und weniger Ernte ein. Die Wetterveränderung stellt nach und nach eine ernsthafte Bedrohung für die Anwohner dar. Auch die „Maze Runner“-Reihe von James Dashner erzählt von einer post-apokalyptischen Welt, in der die Charaktere ebenfalls den Folgen einer starken Naturveränderung ausgesetzt sind. In Dashners Roman verändert sich die Welt der Menschen nach einer Reihe von Sonneneruptionen, welche die Erde massiv beschädigen. Ganze Lebensregionen werden von der Erde gebrannt. Die von den Sonneneruptionen unbeschädigten Länder haben mit den Folgekonsequenzen zu kämpfen, die sich in der Form von Feuerstürmen, Tsunamis und extremer Hitze zeigen. Das Endergebnis ist eine neue Wüste, welche sich durch den gesamten Bereich des Äquators zieht; eine durch Wetterkatastrophen gänzlich veränderte Erde. Ein ähnliches Geschehen ist in „Die Tribute von Panem – Tödliche Spiele“ von Suzanne Collins beschrieben: „Er erzählt aus der Geschichte von Panem, dem Land, das aus den Trümmern dessen erstand, was einst Nordamerika genannt wurde. Er zählt die Katastrophen auf, die Dürren, die Stürme, die Feuersbrünste, erzählt von dem anschwellenden Meer, das so viel Land geschluckt hat, und erinnert an den brutalen Krieg um die wenige verbliebene Nahrung.“ (S. 23) Die Welt, in der sich die Charaktere von Suzanne Collins nun behaupten müssen, zeichnet sich durch eine Dystopie aus, in der Hunger und Nahrungsnot konstante Faktoren sind. Während in „Die Tribute von Panem“ die Ursachen für diese Hungersnöte vordergründig am bestehenden politischen System liegen und sich während des Handlungsverlaufs wenige Hinweise dafür finden lassen, dass Klima, Wetter oder die Natur im Allgemeinen für die Hungersnöte verantwortlich sind, so gibt der zitierte Ausschnitt doch einen Einblick in die Umweltkatastrophen, welche der Menschheit in Collins Roman massiv zugesetzt haben. Die beschriebenen Katastrophen sind auch uns als Leser nicht unbekannt. Allein in den letzten zwanzig Jahren hat die Anzahl an Umweltkatastrophen beachtlich zugenommen. Zwischen 1980 und 1999 kam es weltweit zu 1.389 aufgezeichneten Überschwemmungen. Die Anzahl der zwischen 2000 und 2019 aufgezeichneten Überschwemmungen weltweit ist fast zweieinhalb mal so hoch und liegt bei 3.254 (CRED & UNDRR, Anzahl an Naturkatastrophen weltweit in den Zeiträumen 1980 bis 1999 und 2000 bis 2019 Statista, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1222072/umfrage/anzahl-naturkatastrophen/ (letzter Besuch 08. Januar 2022). Während bei Überschwemmungen der höchste Anstieg zu in diesem Zeitfenster zu beobachten ist, ist Hochwasser nicht die einzige Naturkatastrophe, welche in ihrer Häufigkeit zugenommen hat. Das gleiche lässt sich bei anderen Ereignissen wie z.B. bei Stürmen nachweisen, welche einen Anstieg von 1.457 auf 2.043 verzeichneten, und für extreme Temperaturen, welche statt 130-mal 432-mal nachgewiesen werden konnten. Naturkatastrophen sind durch ihre immer häufigeren Auftritte also längst nicht mehr eine Seltenheit, sondern Begebenheiten, die jedermann bekannt sind. Als solches gesehen lassen sie sich in der Klimawandelliteratur als Fakten auslegen, die von Autoren und Autorinnen genutzt werden, um für die erdachten Dystopien eine fundierte Grundlage zu schaffen, die dem Leser einleuchtet und für ihn nachvollziehbar ist: „‘Klimawandelliteratur‘ […] nutzt das Experimentierfeld der Fiktion, um sich mit der konkreten Erfahrung des anthropogenen Klimawandels, seinen Ursachen und seinen bereits realen wie in der Zukunft möglichen Auswirkungen auseinanderzusetzen.“ (Sylvia Mayer, „Klimawandelroman“ in „Ecocriticism – Eine Einführung“, S. 234) Basierend auf bekannten Elementen – in diesem Fall Wetter-, Klima- und letztendlich Weltveränderungen – sind die fiktional weitergeführten Welten für den Leser als nachempfindbarer gestaltet und erlauben dem Leser dadurch ein tieferes Eintauchen in die neuen literarischen Welten.

Fazit

Zusammengefasst können innerhalb der Klimawandelliteratur, auch Climate Fiction genannt, die Begriffe Fakt und Fiktion insofern ausgelegt werden, dass, dem Leser bekannte, real existierende oder geschehene Begebenheiten (Fakten) genutzt werden, um eine Grundlage zu schaffen, auf der aufbauend im weiteren Verlauf fiktiv weitergesponnen werden kann. Der Begriff ‚Fakt‘ im Kontext der Belletristik erfährt also eine Legitimierung dadurch, dass die beschriebenen Figuren, Orte oder Ereignisse eine direkte Entsprechung in der Realität besitzen. Obwohl also Fakt und Fiktion grundsätzlich als Gegensatz zu verstehen sind, sind die Begriffe in der Klimawandelliteratur nicht einfach voneinander getrennt anzusehen, sondern als Gemisch anzusehen, bei dem die Begriffe voneinander abhängig sind und aufeinander aufbauen.